Prävention in stürmischen Zeiten: Online-Resilienz-Training für Kinder und Familien
Wende dich der Sonne zu, dann fallen die Schatten hinter dich.« Dieses Sprichwort aus Afrika beschreibt, worauf es in der »GlücksschmiedeKids« ankommt. Das von der Gesundheitspsychologin und Familientherapeutin Karin Hoisl-Schmidt entwickelte Online-Trainingsprogramm hält wissenschaftlich fundierte Methoden der Positiven Psychologie bereit, damit Kinder und Familien schwierige Lebenssituationen und Krisen meistern und in ihrer Kraft bleiben können. Mit Beginn der Corona-Pandemie entstanden kindgerecht gestaltete Videos, Übungen und Spiele, in denen psychologische Themen in eine einfache Sprache übersetzt werden. Das Resilienztraining ist so konzipiert, dass die Übungen flexibel und stressfrei in den Familienalltag integriert werden können.
Homeschooling, Homeoffice, Notendruck, Haushalt, Unsicherheit und steigende Unzufriedenheit – in Zeiten der Corona-Pandemie und der damit verbundenen Lockdowns erleben Familien gerade einen oft prekären Alltag. Wie die Hamburger »COPSY-Studie« belegt, ist der Anteil von Kindern mit geminderter gesundheits-bezogener Lebensqualität von ursprünglich 15 % während der Pandemie auf mittlerweile 40 % gestiegen. Dieser Entwicklung möchte Karin Hoisl-Schmidt mit der »Glücksschmiedewerkstatt« und dem Programm »GlücksschmiedeKids« neue Perspektiven entgegen-setzen.
Das Glück im Alltag (wieder-)finden
In ihrem systemischen und ressourcenorientierten Ansatz stellt sie positive Emotionen, Beziehungsstärkung und Selbstwirksamkeitserfahrungen in den Fokus. In acht abwechslungsreichen Lektionen lernen Kinder mit ihren Eltern in der »Glücksschmiedewerkstatt« Werkzeuge kennen, mit denen sie das Glück in ihr Leben einladen können. Entspannung, Achtsamkeit und Dankbarkeit werden in unterhaltsamen Übungen kultiviert. Dafür gibt es Körperreisen, Glücksgeschichten, Atemübungen und Schüttelmeditationen. Die Kraft der Worte erleben teilnehmende Kinder, indem sie die »Aufblüh-Sprache« erlernen, und beim Genuss-ABC entdeckt jedes Kind seine ganz persönlichen Alltagsfreuden, um nur einige Beispiele zu nennen.
Nach und nach füllen die Familien so ihre »Schatzkisten« mit bunten »Edelsteinen des Glücks«. In einer bewusst bildhaften Sprache vermittelt Karin Hoisl-Schmidt in den einzelnen Lektionen des Selbstlerntrainings, wie sich das Glück finden lässt und dass es manchmal einfach am Wegesrand liegt. »Dabei sollen die Teilnehmenden sich eben nicht an Leistungsgedanken orientieren«, so die Psychologin. Vielmehr gehe es darum, dass Kinder und ihre Eltern Qualitätszeit miteinander verbringen. Es reiche vollkommen aus, zweimal in der Woche für 20 Minuten miteinander die Übungen zu machen, beispielsweise als Abendritual.
So sollen die Familien Wege zu mehr Gelassenheit und positiven Perspektiven finden und ihre Resilienz für mehr Stabilität und Stresskompetenz im Alltag stärken. Aktuelle Studien über die günstige Wirkung von Interventionen aus der Positiven Psychologie während der Corona-Pandemie untermauern das Konzept der »Glücksschmiedewerkstatt« (siehe etwa Waters et al., 2021).
Café zur Glücksschmiede
Ergänzt wird das Angebot durch Impulse und Gesprächsangebote von Karin Hoisl-Schmidt, die als vierfache Mutter und systemische (Familien-)Therapeutin mit den Bedürfnissen von Familien bestens vertraut ist. Regelmäßig können die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Programms das virtuelle »Café zur Glücksschmiede« besuchen – eine Online-Plattform, auf der interaktiv in verschiedenen Räumen und Gesprächskreisen die Möglichkeit zum persönlichen Austausch geboten wird. Dabei können auch Fragen an die Trainerin selbst gestellt werden, um weiteren Input zu Themen wie »Selbstfürsorge« und »Achtsamkeit« zu erhalten. »Das Wohlbefinden der Eltern spiegelt sich auch im Ausmaß des Glücklichseins ihrer Kinder wider«, so Hoisl-Schmidt.
Glücksprojekt macht Schule und geht um die Welt
Mit Unterstützung einer Krankenkasse wurde das Programm der »Glücksschmiede« bereits erfolgreich im Rahmen des Präventionsprojekts »Gesunde Schule« in der »Hans-Oberhauser-Grund- und Mittelschule« im oberbayerischen Reichertshausen gestartet. Die positiven Effekte auf die Kinder wurden dort schnell deutlich. Rektor, Lehrerkräfte und Eltern konnten sich davon überzeugen, dass die »GlücksschmiedeKids« genau die positiven Momente schafft, die die Kinder stärken in einer Zeit, in der ein normaler Alltag wegfällt. »Wenn ich in die leuchtenden Augen eines Mädchens schaue, das stolz und glücklich ein Einmachglas voll bunter Zettel in ihren Händen hält, auf denen es alle Glücksmomente der Woche festgehalten hat, weiß ich, dass wir auf dem richtigen Weg sind«, schwärmt Karin Hoisl-Schmidt.
In Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut geht der Glücksschmiede-Gedanke nun seit mehreren Monaten um die ganze Welt. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Instituts können mit ihren Familien im Rahmen des betrieblichen Gesundheitsmanagements am Präventionsprogramm teilnehmen. Es sei eine besondere Erfahrung, berichtet die Psychologin, sich mit Eltern rund um den Globus zur Pandemie und zu Möglichkeiten der Entlastung auszutauschen. Zu beobachten sei, dass immer mehr Firmen sich auf die Suche nach Unterstützungsmöglichkeiten für Familien machten; die Anfrage nach entsprechenden Programmen steige.
Zertifizierung der »GlücksschmiedeKids«: ein langer und steiniger Weg
Die Zertifizierung der »GlücksschmiedeKids« als Präsenzkurs durch die »Zentrale Prüfstelle Prävention« ist nur noch eine Frage der Zeit; das Konzept wurde vor einiger Zeit zur Prüfung eingereicht. Allerdings ergeben sich lange Bearbeitungszeiten und bürokratische Hürden. Die angestrebte Zertifizierung als zeitgemäßes Online-Format wurde bisher verhindert, da es noch keine entsprechenden Prüfvorgaben für Kinderkurse gibt, Kurse für Familien über die »Zentrale Prüfstelle Prävention« grundsätzlich nicht förderfähig sind und das Format als Erwachsenenkurs als »zu familienlastig« abgelehnt wurde.
Leider kann die Zielgruppe auf niedrigschwelligem Weg derzeit nur schwer erreicht werden. Die Schulen sind geschlossen, die Lehrerinnen und Lehrer am Limit«, berichtet die Trainerin in Rückschau auf ihre dreijährige Tätigkeit als Prozessberaterin in Schulen. »Die Lehrkräfte können keine zusätzliche Präventionsarbeit leisten.« Natürlich sei das Angebot für Selbstzahlerinnen und -zahler bereits nutzbar, die besonders gefährdeten Zielgruppen seien so aber kaum zu erreichen. Daher wäre die Vermittlung des Online-Programms über die Jugendämter und die Öffnung für die Jugendhilfe in der aktuellen Krisensituation enorm wertvoll; und in diese Richtung werde sie als Nächstes gehen, um ihr Herzensprojekt zur Stärkung von Familien voranzutreiben, erklärt Hoisl-Schmidt, die sich als Mitglied im »Dachverband Positive Psychologie« in der Fachgruppe »Erziehung und Bildung« engagiert.
Glücksschmiede für alle
Aktuell wird die Anpassung des »Glücksschmiede«-Programms an die Zielgruppe der Jugendlichen vorgenommen. Auch eine Adaption für den Vorschulbereich ist angedacht, ebenso wie die Veröffentlichung eines Praxisbuches mit kindgerechten Übungen und entsprechenden Hintergründen dazu.
Darüber hinaus entwickelt die engagierte Psychologin in ihrer »Glücksschmiedewerkstatt« aktuell auch Kurse für Erwachsene. Ein ganzes Projektteam engagierter Psychologiestudentinnen und -studenten unterstützt sie bei der Umsetzung ihrer Ideen. Viele Komponenten aus dem Handlungsfeld Stressmanagement sollen in alltagsnahen Präventionskursen Anwendung finden: Resilienzförderung, Achtsamkeitstraining, Entspannung und Schlafförderung sind Themen, an denen aktuell gearbeitet wird. »Ich möchte die gesamte Bandbreite der Präventionsmaßnahmen mit einem systemischen Ansatz und einer positiven emotionalen Ausrichtung und Herzensbildung verbinden und in zeitgemäßen, wissenschaftlich fundierten Kursformaten anbieten«, so Karin Hoisl-Schmidt. »Mein Ziel: die Flexibilität von Online-Formaten mit individueller Begleitung so verbinden, dass nachhaltige Verhaltensänderung und Lernprozesse optimal gefördert werden. Wenden wir uns der Sonne zu, damit die Schatten hinter uns fallen!«
Winfried Pollmann, Anja Koch