Kommunikation in der (Klima-) Krise?

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»Die komplette Nachhaltigkeits- und Klimaschutzszene verzweifelt ja hochprofessionell an der Frage, warum Menschen nicht zu Veränderungen ihrer Lebensweise bereit sind […]. Vielleicht wäre es einfach besser, […] mal darüber nachzudenken, wo denn wohl Veränderungsbereitschaften zu finden sind – im Wissen liegen sie nämlich nicht« (Welzer, 2019, S. 49). Die Psychologinnen Janna Hoppmann und Verena Kantrowitsch befassen sich privat und beruflich mit dem Thema »Klimakommunikation« und suchen für »report psychologie« nach Antworten auf die Frage, wie sie gelingen kann.

Nun ist es so weit: Das Small-Talk-Thema Nummer eins hat seine Unschuld verloren. Dürfen wir einen frühlingshaft warmen, sonnigen Tag im Februar noch als »schönes Wetter« bezeichnen? Und ist es okay, von fleischlastigen Festessen oder Fernreisen im Urlaub zu erzählen? Plötzlich gibt es in alltäglichen Gesprächen überall vermintes Gelände.

Im Allgemeinen herrscht – nicht selten auch bei Psychologinnen und Psychologen – Unsicherheit und Uneinigkeit darüber, wie über die Klimakrise gesprochen werden soll: Muss die Kommunikation darüber auf eine drastischere Art erfolgen? Und wenn ja, mit welchem Ziel? Dass wir mit den Worten von Julia Klöckner (2020) »an der Ladenkasse mit unserem Geldschein entscheiden«, wie viel uns Tierwohl und Klimaschutz wert sind?

Anleitung zu Klimakommunikation für die psychologische Praxis

Mit diesen Fragen beschäftigen sich das Feld der Klimakommunikation und die psychologische Forschung zur Klimakrise. Sie beruhen auf den Schlüsselerkenntnissen der Umwelt-, Sozial-, Gesundheits- und Kommunikationspsychologie. Die Erkenntnisse zur Klimakommunikation können uns dabei helfen, die menschlichen Lebensgrundlagen zu schützen, gleichzeitig einen lebenswerteren gesellschaftlichen Weg einzuschlagen und im persönlichen Rahmen Gespräche so zu führen, dass es unsere Gegenüber zum Handeln motiviert. Dieser Artikel soll wie ein gutes, wissenschaftlich fundiertes Kochrezept für Klimagespräche sein: Wir möchten den Leserinnen und Lesern Orientierung und Mut geben, sich selbst in persönlichen Gesprächen über die Klimakrise auszuprobieren.

Was macht es so schwer, die Klimakrise in Gesprächen anzusprechen?

»Verstehe doch endlich das Problem und fange an, dein Leben zu ändern!« So lautet wohl der Grundton vieler Gespräche über die Klimakrise, die in Deutschland geführt werden. Aus der Perspektive des »Vier-Ohren-Modells« von Friedemann Schulz von Thun hören einige Empfängerinnen und Empfänger die Beziehungsbotschaft heraus, Teil des Problems zu sein (viele Leserinnen und Leser werden sich noch an Gespräche zum Thema »Umweltsau« erinnern). Unverkennbar jedenfalls ist der Appell, der zum direkten Handeln drängt.

Doch zu welchem Handeln genau? Die Klimakrise als Problem ist nicht nur höchst komplex und stellt ein globales sozial-ökonomisches Dilemma dar (Aitken, Chapman & McClure, 2011). Darüber hinaus ist sie als »wicked problem« beschreibbar, für welches aufgrund unvollständiger, widersprüchlicher und sich ändernder Anforderungen nicht die eine perfekte Lösung gefunden werden kann (Levin, Cashore, Bernstein & Auld, 2012). Stattdessen braucht es bei solchen Problemarten einen Lösungsraum, in dem mehrere Vorgehen miteinander kombiniert und auch potenzielle Nebenfolgen in den Überlegungen berücksichtigt werden (Grint, 2016). Der Fortschritt in der Energieeffizienz von Automotoren stellt ein Beispiel für eine solche Lösung dar, die einen negativen Nebeneffekt (»Rebound-Effekt«) nach sich zieht: Trotz der Effizienzbemühungen verringern sich die Emissionen von Autos nur bedingt. Im Jahr 1995 hatten die zugelassenen Neuwagen nach Angaben des Kraftfahrtbundesamts im Mittel 95 PS, im Jahr 2018 jedoch 152 PS – und die werden auch genutzt.

Doch an dieser Stelle hört es noch nicht auf: Jede und jeder von uns ist in die Krisen unserer Natur, der Biodiversität und des Klimas verwickelt. Das Thema trifft und betrifft uns ganz persönlich. Nach Moser (2016) halten fünf psychologische Barrieren uns davon ab, uns mit der Klimakrise konstruktiv auseinanderzusetzen: Dies sind u. a. die psychologische Distanz der Klimakrise (Wahrnehmung als vermeintlich »weit weg«), die kognitive Dissonanz zwischen Wissen, Werten und Handeln sowie der Schutz unseres Selbstwerts, der droht, verletzt zu werden, wenn wir unser vergangenes Verhalten hinterfragen. Es ist daher gut nachvollziehbar, dass viele Menschen sich nicht gerne freiwillig mit der Klimakrise beschäftigen oder bei einer tieferen Auseinandersetzung mit diesem schier unlösbaren Problem schnell in eine »Problemtrance« fallen (Schmidt, 2018).

In Gesprächen zur Klimakrise können Konflikte um Detailprobleme lähmend sein. Hilfreicher ist es, sich im Dialog gemeinsam auf die Suche nach (noch) besseren Lösungen zu begeben und sich von noch offenen Fragen nicht entmutigen zu lassen.

Bevor es losgeht: Wer ist für Gespräche mit wem geeignet?

Häufig wird die Frage danach gestellt, wie man gegen die Leugnung der anthropogenen Klimakrise argumentieren könne. Dabei sollte die Gruppe der Menschen, die das Problem leugnen, nach Metag et al. (2015) nur maximal zehn Prozent der Bevölkerung in Deutschland darstellen. Dieser Frage eine zu hohe Bedeutung zu verleihen und Leugnung durch persönliche Gespräche verringern zu wollen, hat daher nicht nur Frustrationspotenzial, es kann zudem in der öffentlichen Wahrnehmung zu einem »False-Balance-Effekt« kommen: Durch eine Berichterstattung in den Nachrichten über Klimaleugnung wird die Haltung einer Minderheit in ihrer Verbreitung überschätzt. Stattdessen sollten wir den Fokus darauf legen, Gespräche mit Zielgruppen der Mehrheitsgesellschaft zu führen: mit Menschen, die um die Klimakrise wissen, aber ihr persönliches Risiko durch die Klimakrise als gering betrachten, die in der kollektiven Verantwortungsdiffusion optimistisch sind, dass andere das Problem schon lösen werden, oder die zwar Lust haben, selbst aktiv zu werden, aber nicht wissen, wie und wann dies sinn- und wirkungsvoll machbar ist.

Daher kann es hilfreich sein, sich zu Beginn eines Gesprächs auf die Glaubensvorstellungen, die Werte und das bisherige Klima-Engagement des Gegenübers einzustimmen bzw. diese zunächst mit einer offenen Haltung zu erfragen. Dies bietet das Potenzial, im Dialog auf die Bedürfnisse und Themen einzugehen und konkret weiterzuhelfen. Denn das Dogma von »one size fits all« ist überholt: Gespräche über das Klima entfalten besonders gut ihre Wirkung, wenn sie zum Stadium der problem- und handlungsbezogenen Überlegungen des Gegenübers passen (Moser & Dilling, 2011).

Darüber hinaus sind für jede Zielgruppe andere Botschafterinnen und Botschafter am besten geeignet. Wichtig für die Effektivität ist es, dass diese als glaubwürdig wahrgenommen werden (Markowitz & Guckian, 2018). Aufgrund der hohen Bedeutung, die Gruppenzugehörigkeit für unsere Identität hat, können uns Menschen aus unserem eigenen sozialen Umfeld besonders gut für den Klimaschutz begeistern (Goldberg, van der Linden, Maibach & Leiserowitz, 2019). Von wem werden wir als Psychologinnen und Psychologen als glaubwürdig angesehen? Für wen sind wir also als Botschafterinnen und Botschafter ideal?

In Gesprächen stets die eigene Haltung zur Klimakrise zu teilen (»one size fits all«), kann in Frustration und wenig Wirkung münden. Stattdessen lohnt es sich, verschiedene Zielgruppen bei ihrem psychischen »Standort« zum Thema »Klima« abzuholen.

Sorge, Schuld und Hoffnung: Wohin mit den Gefühlen?

Wer sich mit der Klimakrise befasst, hat gute Gründe dafür, mit pessimistischem Blick in die Zukunft zu schauen und heftige, unangenehme Gefühle zu erleben: Angst, Hilflosigkeit, Wut und Trauer um einen Lebensraum, der schon jetzt verändert ist. Die persönliche emotionale Bewältigung der Klimakrise ist aber unbedingt vom Ziel zu unterscheiden, professionell – sprich: empathisch, konstruktiv sowie motivierend – zu kommunizieren. Falls man sich selbst durch die Vergegenwärtigung des drohenden Endes der Zivilisation für den Klimaschutz motiviert fühlt (oder sich daran so erinnert), kann das dazu verführen, dass man daraus fälschlicherweise ein universelles Wirkungsprinzip (auch für andere) ableitet. Doch wenn apokalyptische Bilder und negative Gefühle im Fokus der Kommunikation stehen und aktivierende Gefühle überlagern (»doomism«), kann sich die Wirksamkeit der Kommunikation stark verringern (Moser, 2016). Nach einem Ratschlag von Per Espen Stoknes sollte stattdessen das Maß an positiven Emotionen dreimal so hoch sein wie das Maß an negativen Emotionen (Stoknes & Randers, 2015). Welche verschiedenen Gefühle können wir zu einem authentischen und aktivierenden Gesamtwerk im Gespräch kombinieren?

Mit schwierigen Gefühlen können wir in Gesprächen zur Klimakrise rechnen und sollten daher mit ihnen umzugehen lernen. In der Kommunikation sollten aber positive, aktivierende Gefühle, die zum Handeln motivieren, im Fokus stehen.

Haltung bewahren und Werte verstehen: Was braucht es für ein persönliches Gespräch?

Gespräche über Klimakrise und Klimaschutz können schnell dazu führen, dass sich das Gegenüber in seinen Bedürfnissen oder seinem Selbstwert verletzt fühlt. Die psychologischen Schutzmauern werden hochgefahren, um psychische Stabilität zu behalten und Unsicherheit zu reduzieren (Raihani & Aitken, 2011). Genau diese Instabilität, die eine Auseinandersetzung mit schwierigen Gefühlen mit sich bringen kann, erfordert einen sicheren Raum des Verstehens. Dieser sichere Raum wird in der systemischen Beratungsarbeit als »Metastabilität« benannt und ermöglicht, dass im Gespräch aus der Instabilität neue Lösungsideen entstehen können (Loth & Schlippe, 2004).

Die Notwendigkeit eines stabilen, wertschätzenden Gesprächsrahmens durch Zuhören und Verstehen wird insbesondere praktizierende Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten wenig überraschen. Wir fragen uns mit einer neugierigen Haltung: Was genau ist eigentlich der Grund, warum dem Nachbarn mit seinen zwei SUVs in der Garage Klimaschutz scheinbar wenig wichtig ist? Oder ist ihm Klimaschutz zwar wichtig, aber er hat andere (gute) Gründe für sein Verhalten? Dabei ist zu beachten, dass Verstehen nicht mit Einverständnis verwechselt wird (Pörksen & Schulz von Thun, 2020). So kann es eine Person beispielsweise entschieden ablehnen, auf rettende technologische »Götter« aus dem Feld des Geo-Engineerings zu warten, und dennoch die zugrunde liegenden Werte des Gegenübers verstehen. Sich tiefer mit den Werten des Gegenübers (z. B. mit Hilfe des »Wertequadrats« von Schulz von Thun) auseinanderzusetzen, kann auch vorbeugen, dem anderen Unwerte zu unterstellen.

Stellen wir uns vor: Lisa setzt sich für den Wert »freiwillige Eigenverantwortung« ein und sieht daher Regulationen durch den Staat kritisch. David hingegen betrachtet dies als staatliche Fürsorgepflicht und glaubt nicht daran, dass reine Freiwilligkeit ausreicht. Wenn sich Lisa und David über guten Klimaschutz unterhalten, kann es passieren, dass sich die wahrgenommenen Werte des Gegenübers blitzschnell zuspitzen: David nimmt den Ruf nach Eigenverantwortung als Plädoyer für soziale Kälte wahr, und Lisa erlebt Davids Ruf nach staatlicher Fürsorge als Plädoyer für vollständige Entmündigung. Wir können uns vorstellen, wie sich der Dialog zwischen den beiden im Folgenden zuspitzt. Ein genaues Zuhören und offenes Erfragen der Werte des Gegenübers kann diese unangenehmen Folgen verhindern. Und vielleicht lassen sich für Lisa und David auch Werte finden, die einen Kompromiss darstellen, auf den sich beide einigen können?

In Gesprächen treffen oft divergierende Werte aufeinander. Um zunehmende Polarisierung zu verhindern und neue Dialogräume zu öffnen, ist eine zentrale Fähigkeit von Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten besonders wertvoll: zuzuhören und zu versuchen, zu verstehen.

Schuld oder Vorbild: Wie gehen wir im Gespräch mit der eigenen Beteiligung am Problem um?

Wer in Deutschland am gesellschaftlichen Leben teilnimmt, produziert nach Angaben des Umweltbundesamt bereits rein durch öffentliche Emissionen 0,9 Tonnen CO2-Äquivalente pro Jahr. Jede und jeder von uns stößt im Durchschnitt zehn weitere Tonnen CO2-Äquivalente aus, weil wir wohnen, Strom nutzen, uns fortbewegen und essen. Es ist ganz klar: Unsere Lebensweise und unsere öffentlichen Infrastrukturen ragen noch immer weit über das Ziel von 1,5 Tonnen CO2-Äquivalen-ten pro Kopf hinaus, mit denen sich eine lebenswerte Zukunft auf der Erde noch erhalten lassen würde.

Als Reaktion wird in öffentlichen Debatten Klimaaktivistinnen und -aktivisten häufig Inkonsistenz zwischen Worten und Handeln vorgeworfen: »Ich bin gespannt, was Greta macht, wenn es kalt wird. Heizen kann es ja wohl nicht sein«, witzelte beispielsweise Dieter Nuhr. Dieser Witz um Heuchelei war leicht geerntet, da Menschen sehr ungern getäuscht werden und dafür eine starke Antenne haben (Jordan, Sommers, Bloom & Rand, 2017).

Widersprüchliches Verhalten wird in Jahrzehnten des Umbruchs – ein Bein noch in den alten Strukturen, ein Bein bereits in den Visionen einer besseren Welt – leider an vielen Stellen nicht zu umgehen sein. Sollte man die eigenen Widersprüche verbergen? Studien belegen: Eine offene Kommunikation der eigenen Grenzen kann die Unterstellung von Heuchelei verhindern und befördert sogar Verständnis des Gegenübers (Jordan et al., 2017). So entsteht Augenhöhe, und auch unser Bedürfnis nach sozialer Verbundenheit wird gewürdigt. Selbstverständlich können wir als Modell Klimaschutz vorleben, wo es uns gelingt. Aber selbst bei höchstem Einsatz bleibt dies, bis in der Gesellschaft die nötigen (infra-) strukturellen Veränderungen und Erleichterungen vorgenommen werden, eine echte Sisyphus-Aufgabe. Wie können wir authentisch und nahbar auftreten – uns selbst und anderen gegenüber?

In unserem Streben nach interner Konsistenz würden wir gerne ohne Widersprüche reden und handeln können, doch die »wicked problems« bringen uns an unsere Grenzen. Authentizität in der Kommunikation ist mehr als ein Ideal: Sie kann eine psychologische Brücke zum Gegenüber bauen.

Individuum versus Politik: Zu welchem Handeln motivieren wir in Gesprächen?

Neben dem Missverständnis, sich mit Kommunikation primär an eine leugnende Minderheit zu richten, verlieren sich Menschen ebenso häufig in Appellen, in denen die volle Verantwortung auf das Alltagsverhalten von Individuen geladen wird. Dabei gibt es auf der Ebene individueller Einstellungen gute Nachrichten: In Umfragen sprechen sich Menschen EU-weit für eine ambitioniertere Klimapolitik aus (»Eurobarometer«-Umfrage der Europäischen Kommission sowie Umfrage »Corona und Nachhaltigkeit« der Deutschen Bundesstiftung Umwelt).

Die schlechte Nachricht: Auch in Deutschland haben sich Infrastrukturen etabliert, die dazu beitragen, dass klimaschädliches Verhalten die Normalität darstellt. Wenn ein Burger mit Rindfleisch in der Kantine nur ein Drittel des Preises für einen reichhaltigen Salat kostet oder Nachtzüge eingestellt werden und damit Fernreisen mit dem Zug mehr Zeit in Anspruch nehmen, reicht individueller Veränderungswille nicht aus. Mit dem Modell zum »inneren Team« von Schulz von Thun (2017) ausgedrückt, schlagen bei diesen Entscheidungen vielleicht zwei Seelen gleichzeitig in meiner Brust, aber wenn die Infrastrukturen des Alltags fast nur den Bedürfnissen meiner inneren »Hüterin der Gewohnheiten« entsprechen und nicht jenen meiner »Reformerin«, dann hat Letztere wenig Aussicht auf Erfolg.

Dieser Einbezug der infrastrukturellen Wirklichkeit ist wesentlich für kommunizierte Lösungsansätze. Auf demokratischem Wege können wir als Kollektiv die Infrastrukturen langsam, aber stetig verändern: ihnen zunächst die hinderliche Gestalt nehmen und sie schließlich zu Unterstützenden werden lassen, die uns es einfacher machen, unser Ziel eines lebenswerten, zukunftsfähigen Lebens zu erreichen. Was passieren kann, wenn kollektive Appelle Infrastrukturen ändern, sehen wir in Kopenhagen: Dort fahren 63 Prozent der Menschen mit dem Fahrrad zur Arbeit, und zwar weil es so »einfach und bequem« ist (The City of Copenhagen, 2015).

In unpassenden Rahmenbedingungen können Appelle ans Individuum einen Bumerang-Effekt haben, indem sie entlastende einzelne Symbolhandlungen wie »zero plastic« fördern (»moral licensing«) oder zu Resignation beitragen (Blanken, van de Ven & Zeelenberg, 2015). Ein zu starker Fokus auf den eigenen CO2-Fußabdruck – einer Erfindung des Öl- und Gaskonzerns BP der 1980er-Jahre – sollte daher im Hinblick auf die damit kommunizierte Verantwortung und Effektivität für den aktuellen politischen Pfadwechsel kritisch hinterfragt werden. Zu welchen kollektiven Verhaltensweisen könnten wir als Psychologinnen und Psychologen stattdessen motivieren?

In der Vergangenheit wurden viele Appelle an Individuen und ihr Klimaschutzverhalten im Alltag gerichtet. Wirksamer ist es, infrastrukturelle Lösungen aufzuzeigen und gemeinsam einzufordern, Klimaschutz für alle einfach und fair zu machen.

Framing: Mit welchen Wörtern wird Klimaschutz motivierend?

Die klimapsychologische Forschung zeigt, dass das Problemwissen keinen oder nur einen sehr kleinen Einfluss auf das Klimaschutzverhalten hat (Gifford, Kormos & McIntyre, 2011). Stattdessen gibt es zahlreiche weitere Faktoren, wie z. B. psychologische Distanz, Risikowahrnehmung, Selbstwirksamkeit, soziale Normen, die Abwägung von Kosten und Nutzen einer Handlung, Handlungs- und Effektivitätswissen, die darüber bestimmen, wie zugewandt Menschen sich gegenüber Klimaschutz zeigen (Gifford et al., 2011).

Diese Kenntnisse lassen sich auf Gespräche zum Thema »Klima« übertragen: Je nachdem, welche Wörter bzw. Bedeutungsrahmen (sogenannte »Frames«) wir in Gesprächen zum Klimaschutz verwenden, schafft dies mehr oder weniger Motivation zum Handeln bei unserem Gegenüber. Ein »Gewinn-Frame« bietet sich gut für zeitnahe Co-Benefits an (»Klimaschutz fördert direkt unsere Gesundheit, bringt saubere Städte, gute Luft und neue Arbeitsplätze in neuen Branchen«). Liegt ein Gewinn erst in weiter Zukunft, kann es dagegen vorteilhaft sein, die Versicherung gegen zukünftige Kosten zu betonen, da Menschen nach der »Construal-Level-Theorie« von Liberman und Trope (2008) Verluste bedeutsamer als Gewinne einschätzen. (»Wenn wir so weitermachen, wird uns die Klimakrise unseren Wohlstand nehmen. Doch wenn wir schon heute echte Maßnahmen ergreifen, können wir das Schlimmste verhindern.«)

Wichtig ist es, stets aufzuzeigen bzw. im Gespräch entwickeln zu lassen, dass die Werte des Gegenübers – das, was ihm wichtig ist – durch die Klimakrise in Gefahr sind (Hornsey, Harris, Bain & Fielding, 2016). Dies reduziert die erlebte Komplexität des Themas, bringt es in unsere Wohnzimmer und kann so die Risikowahrnehmung der Klimakrise stärken. Was ist meinem Gegenüber ein Herzensanliegen? Vielleicht der benachbarte Wald, der immer trockener wird, oder Hilfsbereitschaft gegenüber Menschen in humanitären Krisen?

Intuitive Ansätze zur Beschreibung der Klimakrise können unbeabsichtigt negativ wirken. »Frames«, die sich nach der psychologischen Forschung zum Klima als geeignet herausgestellt haben, können das Thema »Klimaschutz« hingegen zugänglicher und motivierender machen.

Klima in die psychologische Praxis bringen: Was können wir tun?

Als praktizierende Psychologinnen und Psychologen sind wir keine Expertinnen und Experten für Klimawissenschaft. Doch was wir dafür umso besser verstehen, ist die Intentions-Verhaltens-Lücke, die mit Blick auf die Klimakrise aktuell drastisch auseinanderklafft. Unsere Aufgabe kann es daher sein, für soziale Strukturen einzustehen, welche die Möglichkeiten und Grenzen der menschlichen Psyche berücksichtigen und Verhaltensänderung möglichst einfach machen. In welcher sozialen Gruppe meines Umfelds könnten bereits die Türen für konkretes Handeln offen stehen? Vielleicht beim Arbeitgeber, dem die Gesundheit der Beschäftigten – und damit auch effektiver Klimaschutz – ein Anliegen ist? Oder wie wäre es, wenn die Vielstimmigkeit des Kirchenchors auch auf einer Klima-Demo hörbar ist? Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, sich demokratisch zu beteiligen und sich bestehenden Gruppen anzuschließen – für Demonstrationen, Bürgerinitiativen, Gespräche mit Politikerinnen und Politiker oder für Leserinnen- und Leserbriefe in der Lokalzeitung. Bestehende Gruppen können auch das nötige Handlungswissen vermitteln und umsetzen.

Also: Was ist Ihr persönlicher Beitrag für den Pfadwechsel in Richtung Zukunftsfähigkeit – und mit wem könnten Sie darüber sprechen?

Janna Hoppmann, Verena Kantrowitsch

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