Stellungnahme zum Gesetzesentwurf GKV-WSG

Der BDP vertritt mit rund 12.000 Mitgliedern die Interessen der rd. 46.000 Berufspsychologen Deutschlands.

1. Vorbemerkung

Vorab möchten wir bemerken, dass es aus unserer Sicht mehr als wünschenswert gewesen wäre, im vorliegenden Entwurf Elemente zum Abbau der bestehenden Unterversorgung im Bereich psychischer Erkrankungen vorzusehen. Die ökonomische Bedeutsamkeit psychischer Belastungen und Erkrankungen für Gesellschaft und Wirtschaftsleben kristallisiert sich zunehmend heraus und gleichzeitig liefert die Gesundheitsberichterstattung eindeutige Belege für eine deutliche Unterversorgung bei Erwachsenen und in noch höherem Maße bei Kindern (siehe z. B. Gesundheitsbericht des RKI, 2006, Seite 29 ff; Wittchen, H.-U., 2001, in: Bundesgesundheitsblatt. Gesundheitsforschung. Gesundheitsschutz 44, 2001; Jacobi, F. & Wittchen, H.-U., 2005: European Neuropsychopharmacology 15, pp 357 – 376).

Wir möchten unserer Hoffnung Ausdruck verleihen, dass dieses wichtige Thema der Bevölkerungsgesundheit in der zukünftigen Gestaltung der Gesundheitspolitik stärker berücksichtigt wird.

2. Basistarif für Privatversicherte (§12 Versicherungsaufsichtsgesetz)

Ein Fortschritt stellt im Entwurf die Verpflichtung der PKV dar, einen Basistarif im Leistungsumfang der GKV anzubieten, wenn hiermit der Einschluss der Kostenübernahme zur Behandlung psychischer Erkrankungen vorgenommen und somit der verbreiteten diskriminierenden Praxis der PKV im Kontext der Risikoselektion entgegengewirkt wird. Der BDP begrüßt daher sehr diese vorgesehene Änderung.

Wir regen an, bei möglichen Änderungsvorschlägen dieser Regelung auf die Finanzierbarkeit des Beitrags für den Basistarif durch die Versicherten zu achten.

3. Budgets für die Stationären Einrichtungen (Art 15, Änderungen im Krankenhausentgeltgesetz)

Die im Entwurf enthaltene neuerliche finanzielle Belastung der Krankenhäuser kann massive Auswirkungen auf die Entwicklung der Qualität der Versorgung im stationären Bereich mit sich bringen.

Es ist zu befürchten, dass eine wesentliche Überlebensstrategie der Häuser sein wird, in Reaktion auf den sich weiter verschärfenden Wettbewerb Einsparungen an sogenannten weichen Faktoren vorzunehmen und in diesem Zusammenhang Gesundheitsförderung und Präventionsleistungen, Kriseninterventionen und Beratungsdienstleistungen durch Personalreduktionen zu realisieren. Diese Entwicklung ist schon seit Umstellung auf die Fallpauschalenvergütung zu verzeichnen und wird sich unseres Erachtens mit weiteren Belastungen deutlich verstärkt fortsetzen.

Psychologinnen und Psychologen leisten eine wichtige psychologische Arbeit im Rahmen der Krankheitsbewältigung und eines gesundheitsförderlichen Umgangs mit Erkrankung, Amputation usw. Diese Leistungen zurückzuführen, wird das Risiko psychischer Folgeschäden bei chronisch erkrankten Menschen oder Unfallopfern erhöhen und dann zu höheren Folgekosten führen.

Wir regen an, den Sanierungsbeitrag aus dem stationären Bereich so gering wie möglich zu halten.

4. Prävention chronischer Erkrankungen und Gesundheitsvorsorge (§ 62 SGB V)

Die Stärkung von Prävention und Gesundheitsförderung als die wesentlichen Maßnahmen zur Verringerung der Erkrankungsraten und -kosten wird von uns ausdrücklich begrüßt. Die Intention, bei den Menschen eine stärkere Orientierung auf Vorsorge und Vorbeugung zu erzeugen und diesbezügliche Instrumente vorzusehen, zielt gesundheitspolitisch in die richtige Richtung.

Aus lerntheoretischer Perspektive sehen wir jedoch die vorgesehene Regelung, mithilfe von Sanktionsdrohungen (§ 62 Abs. 1) Erhöhung der Eigenbeteiligung auf 2% des Bruttoeinkommens bei Nichtteilnahme an Vorsorgeprogrammen Gesundheitsbewusstsein und Vorsorgeverhalten zu erzeugen, als wenig zielführend an. Die Sanktionierung einer Verhaltensweise (Nichtteilnahme an Vorsorgeprogrammen), vorgenommen mit Blick auf ein lediglich möglicherweise eintretendes Ereignis, das zudem erst in ferner Zukunft eintreten könnte, ist nicht dazu geeignet, das aktuelle Gesundheitsverhalten wesentlich zu beeinflussen. Dies insbesondere nicht bei den Gruppen, die aus verschiedensten Gründen bislang keine Sensibilität dafür entwickelt haben (sozial Benachteiligte).

Ein positives Element in der vorgeschlagenen Regelung stellt die Reduktion der Zuzahlung bei der Teilnahme an einem strukturierten Behandlungsprogramm dar.

Wir schlagen vor, die in § 62 nach Satz 3 beabsichtigte Neuregelung dahingehend zu präzisieren, dass auch die Teilnahme an speziellen Programmen der integrierten Versorgung eine solche Reduktion ermöglicht:

Neufassung:

"Die jährliche Bescheinigung darf nur ausgestellt werden, wenn der Arzt ein therapiegerechtes Verhalten des Versicherten, beispielsweise durch Teilnahme an einem strukturierten Behandlungsprogramm nach §137 ff oder § 140 a, für ihre Erkrankung feststellt."

Effektiver als Sanktionierungsmaßnahmen sind aus lerntheoretischer Sicht Belohnungsmaßnahmen. Daher schlagen wir vor, Bonusregelungen zur Förderung von positivem Gesundheitsverhalten als zusätzliches Element einzuführen. Dies kann die Inanspruchnahme von Vorsorgeuntersuchungen deutlich steigern.
Gesundheit nimmt in der Lebensführung der meisten Menschen mehr die Rolle einer alltäglichen Ressource ein, aus der man zur Erreichung anderer Zwecke schöpft, und wird nicht per se als wichtigstes und zu förderndes Gut oder gar als vorrangiges Lebensziel angesehen (Ottawa Charta). Die Krankenkassen sollten die Möglichkeit erhalten, für die Inanspruchnahme der empfohlenen Vorsorgeuntersuchungen zeitnah eine Rückzahlung eines Teils ihres Beitrages oder Befreiungen von Zuzahlung in Aussicht zu stellen.

Wir schlagen daher vor, folgenden Passus in der Neufassung des § 62 nach Satz 2 zu ergänzen:

"Die Krankenkassen können zusätzlich die Teilnahme an Gesundheitsvorsorgeuntersuchungen durch Rückerstattung von Teilen des Beitrags honorieren."

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