PM: Miteinander reden statt übereinander urteilen

BDP ruft Lehrer zu mehr Gelassenheit mit Kritik auf

Nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofes (BGH) zur öffentlichen Kritik an Lehrern im Internetforum "Spickmich.de" hat der Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen (BDP) Lehrer zu mehr Gelassenheit im Umgang mit Kritik aufgerufen. Der BGH hatte am 23. Juni 2009 die Klage einer Lehrerin aus Nordrhein-Westfalen abgewiesen, die sich durch Bewertungen ihrer Schüler in ihren Persönlichkeitsrechten verletzt sah. Die Bundesrichter entschieden, dass das Recht der Schüler auf freie Kommunikation und Meinungsaustausch das Recht der Lehrerin auf informationelle Selbstbestimmung überwiegt.
Lehrerverbände und Lehrergewerkschaft reagierten eher enttäuscht auf das Urteil des BGH, das ihrer Meinung nach den Umgang zwischen Schülern und Lehrern nicht erleichtere. Statt übereinander zu urteilen, sollten sie lieber miteinander reden.
Eine Auffassung, die auch Klaus Seifried aus dem Vorstand der Sektion Schulpsychologie des BDP, teilt. Negative Bewertungen in Internet-Foren seien für ihn Ausdruck einer ungünstigen Klassen- und Schulkultur. Wichtig sei es, zwischen Lehrern und Schülern starke Bindungen zu schaffen, die leider oftmals fehlten. Schule sei schließlich mehr als Unterricht und Wissensvermittlung, betont er.
Von Lehrern und Schülern erwartet Seifried, dass sie sich gegenseitig Respekt entgegen bringen und ihnen auch Raum geben, Interessen und Wünsche, aber ebenso Kritik und Verbesserungsvorschläge zu äußern. Dies könne geschehen, indem Lehrerinnen und Lehrer Bewertungen ihrer Schüler regelmäßig persönlich einholten - im Anschluss an Unterrichtseinheiten oder zumindest am Schuljahresende. Je mehr Verantwortung für die Unterrichts- und Schulgestaltung die Schüler selbst übernähmen, desto weniger Konflikte träten auf und desto mehr Lernerfolge zeigten sich. "Wo regelmäßige Rückmeldungen und die Beteilung der Schüler Teil der Schulkultur sind, erübrigen sich Bewertungen in Internetforen", so Seifried.
Schulpsychologen könnten positiv auf die Veränderung des Schulklimas einwirken, indem sie auf Verbesserungspotenziale hinweisen und als Mediatoren zwischen Schülern, Lehrern, Eltern und Schulleitung fungieren. In Konflikt- und Streitschlichtertrainings vermittelten sie Schülern zudem Kompetenzen im Umgang mit alltäglichen Auseinandersetzungen und wirkten so positiv auf das Verhalten des Einzelnen ein.
"Wer seiner Funktion als Erzieher und Autoritätsperson gemäß Anforderungen stellt, Grenzen setzt und gegebenenfalls über Sanktionen entscheidet, macht sich naturgemäß nicht immer nur beliebt", so Seifried an die Adresse der Lehrer. Das sollten sich Lehrer bewusst machen, wenn sie mit Kritik konfrontiert werden. Zudem sollten sie genau überlegen: Was ist dran an der Kritik? Wie kann ich mich bewegen und verändern? An Autorität gewinne, so Seifried, wer mit Kritik gelassen umgehen und sich selbst in Frage stellen könne. "Lernen geschieht nun einmal auch durch Fehler, und wer sich diese eingestehen kann, gewinnt an Respekt."
Seifried warnt allerdings vor einer Verallgemeinerung des Urteils. Das Internet berge durch seinen anonymisierten Charakter viele Gefahren. So komme es auf verschiedenen Seiten immer wieder zu massiven Beleidigungen von Lehrern bis hin Drohungen und anonymen Morddrohungen. Vor Übergriffen dieser Art müsse man Lehrer und Schulen in jedem Fall schützen.

Klaus Seifried

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