Insight Into: Digitale Beratung am Beispiel von Krisenchat
Qualifizierte Beratung online? Geht das – und wenn ja, wie? Diese und viele weitere Fragen hat uns Juliane Pougin im Rahmen unserer Insight-Into-Veranstaltung „Digitale Beratung am Beispiel von Krisenchat“ am 22.04.2025 beantwortet.
In einer digital vernetzten Welt sind Kinder und Jugendliche längst „Digital Natives“: Sie klären soziale und private Anliegen bevorzugt online – auch dann, wenn sie Hilfe suchen. Diese Verschiebung in den digitalen Raum haben auch die Gründer*innen von Krisenchat erkannt und entschieden, aktiv zu werden. Entstanden ist die Idee während der Corona-Pandemie, als face-to-face-Beratung nicht möglich war und gleichzeitig die psychischen Belastungen von Kindern und Jugendlichen zunahmen. Dazu gehören depressive Symptome und Ängste, aber auch Kindeswohlgefährdung oder sexualisierte Gewalt.
Auch nach dem Ende der Pandemie sind klassische Beratungsangebote nicht für alle Betroffenen leicht zugänglich. Vor allem im ländlichen Raum sind entsprechende Einrichtungen rar, Anfahrtswege lang und Terminvereinbarungen mitunter eine große Überwindung – auch, weil gerade Jugendliche oft das Bedürfnis haben, ihre Sorgen vor ihren Eltern zu verstecken.
Hier kommt Krisenchat ins Spiel: Wie der Name schon verrät, handelt es sich hier um chatbasierte Beratung, die rund um die Uhr zur Verfügung steht. Zu erreichen ist das Team von Krisenchat ganz einfach über WhatsApp bzw. Telegram – Kanäle, die die Zielgruppe bereits täglich nutzt und als „normal“ empfindet. Eine Beratung dauert im Schnitt eine Stunde und lässt sich grob in vier Phasen unterteilen. In der Kennenlernphase soll zunächst Vertrauen aufgebaut werden, bevor im nächsten Schritt das Kernproblem genauer identifiziert wird. Anschließend geht es darum, zu verstehen, was die Betroffenen sich von der Beratung erhoffen, mit welcher Erwartungshaltung der Chat also gestartet wurde. In der darauffolgenden Phase der Lösungsfindung ist es wichtig, gemeinsam mit dem Kind bzw. Jugendlichen Handlungsoptionen zu benennen und zu bewerten. Am Ende der Beratung haben die Hilfesuchenden idealerweise eine genauere Vorstellung, welche Möglichkeiten es gibt und sind in der Lage, diese wahrzunehmen. Am Ende haben die Ratsuchenden nicht nur einen Plan, sondern auch ihre Selbstwirksamkeit wird gestärkt – denn Krisenchat versteht sich als Hilfe zur Selbsthilfe.
Natürlich gibt es Probleme, die auch für die Online-Beratung zu groß sind. Aus diesem Grund verfügt Krisenchat über Sonderteams für die Themen Gewalt, Kindeswohlgefährdung und Suizidalität. Diese können im Notfall zusätzliche Maßnahmen ergreifen, um die Chatter*innen zu schützen. Dieses ganzheitliche Konzept hat bereits mehr als 80.000 Kindern und Jugendlichen in über 150.000 Chats neue Perspektiven eröffnet.
Diese Zahlen haben uns genauso beeindruckt wie das kontinuierliche Engagement von Krisenchat in anderen Bereichen, beispielsweise der Kooperation mit Hochschulen zur Erforschung der Herausforderungen und Möglichkeiten von Online-Beratung. Viele der Zuhörenden waren nach dem Vortrag motiviert, sich ebenfalls in diesem Bereich zu engagieren – sei es im Rahmen eines Ehrenamts, eines Praktikums oder einer Festanstellung.
Wir bedanken uns bei Juliane Pougin für vielseitigen Einblicke in die Hintergründe und Abläufe der Online-Beratung, die Krisenchat auszeichnen. Danke auch an Isabelle Karrer und Tinatin Deisenhofer für die kompetente Moderation und an alle Teilnehmenden für das Interesse!