Endlich: Berliner Berufungsausschuss gibt Jobsharern bei EBM-Anpassung Recht
Lange erwartet und vom VPP seit Langem gefordert, hat der Berliner Berufungsausschuss mit Entscheidung vom 15.9.10 - inzwischen bestandskräftig - entschieden, dass bei Änderungen des EBM die Punktzahlobergrenzen pro Quartal für Jobsharing durch einfachen linearen Vergleich der EBM-Punktwerte angepasst werden müssen. Das ist eine Bestätigung für viele Jobsharing-Praxen, die den geheimen oder nicht nachvollziehbaren Berechnungen der KVen von Anfang an misstraut haben. In dem VPP vorliegenden konkreten Fall ergab das für die Steigerung von EBM 2007 auf EBM 2008 einen Steigerungsfaktor von knapp 20 % statt den ursprünglichen 9,11 %. Das sind satte 10 %, die hier unterschlagen wurden.
Der Berufungsausschuss stellt überzeugend fest, dass die Veränderung des EBM 2008 zu EBM 2007 insbesondere durch die Erhöhung der Punktzahlen für zeitgebundene Leistungen spürbare Auswirkungen auf die Berechnungsgrundlagen haben, so dass eine Bezugnahme auf die Entscheidung des SG Marburg vom 19.5.2010 - S 12 KA 218/10 - nicht möglich ist; dort wurde RLV-unterliegenden ärztlichen Jobsharern nur eine Anpassung über den Anpassungsfaktor des § 23 f der Bedarfsplanungsrichtlinie zugebilligt. Für Psychotherapeuten ist mit dem Berufungsausschuss richtigerweise § 23 e der Bedarfsplanungsrichtlinie anzuwenden.
Der Berufungsausschuss folgt in seiner Entscheidung einem von der KV-Abteilung Abrechnung und Honorarverteilung gemachten Alternativvorschlag, der ursprünglich Teil einer KV-Vorstandsvorlage für dessen Sitzung vom 4.3.10 war. Der Vorstand hatte diesen Alternativvorschlag seinerzeit nicht befolgt, was sich mit der Beschlussfassung des Berufungsausschusses als rechtswidrig erweist.
Dieser nun maßgebliche Alternativvorschlag deckt sich weitgehend mit den Forderungen des VPP: Zur Berechnung der Anpassung infolge von EBM-Änderungen werden einfach die im Vorjahr nach dem alten EBM angeforderten, in Punkten bewerteten GOPs mit dem Maßstab des neuen EBM neu bewertet. Das Verhältnis von neuen zu alten Punkten ergibt den Anpassungsfaktor im Sinne des § 23 e der Bedarfsplanungsrichtlinie.
Es bleibt als eine KV-politische Frage zu klären, warum der Vorstand am 4.3.10 dieser simplen Berechnungsmethode nicht gefolgt ist und mehr noch, warum diese Berechnung nicht schon viel früher erfolgte. Unserer Auffassung nach hätte sich deren Maßgeblichkeit schon von Anfang an aufdrängen müssen. Denn die nun getroffene Entscheidung des Berufungsausschusses betrifft das Jahr 2009. Das nützt jetzt nicht mehr viel. Nur wenige jobsharing-Praxen dürften damals auf gut Glück mehr als die zugewiesenen, sich erst jetzt erweislich als zu niedrig berechneten Gesamtpunktzahlvolumina abgerechnet haben und sodann gegen die Kürzungen in den Honorarbescheiden Widerspruch eingelegt haben. Die meisten Jobsharing-Praxen konnten und wollten es sich nicht leisten, quasi im Blindflug ggf. pro bono zu arbeiten, denn die Überschreitung der Gesamtpunktzahlvolumina führt nicht zur Abstaffelung, sondern zur 100%igen Kappung. Wer angesichts dessen die zu niedrigen Berechnungen der EBM-Anpassungen hingenommen und ex post betrachtet weniger als möglich abgerechnet hat, dem nützt diese viel zu späte Entscheidung nun nicht; Schadenersatzansprüche erscheinen u.a. wegen erheblicher Beweisprobleme hinsichtlich Sorgfaltspflichtverstößen (also über politische Versäumnisse hinaus) und Kausalitätsproblemen eher nicht aussichtsreich.
Grundsätzlich untermauert die Entscheidung die Forderung, dass EBM-Anpassungsberechnungen schnellstmöglich erfolgen müssen, um den psychotherapeutischen Jobsharing-Praxen die notwendige Klarheit zu verschaffen. Und (nur) in diesem Zusammenhang ist der kleine Kritikpunkt an der Entscheidung des Berufungsausschusses zu erörtern: Es erfolgt mit der oben genannten Vergleichsziehung eine leicht individualisierte Berechnung, deren Notwendigkeit sich aus § 23 e der Bedarfsplanungsrichtlinie nicht erschließt. Denn denkbar wäre auch der Ansatz mit den von der Fachgruppe angeforderten GOPs den linearen EBM-Vergleich vorzunehmen, was die Möglichkeit eröffnet hätte, (mit hinnehmbarer leichter Ungenauigkeit) den Anpassungsfaktor abstrakt mit etwas älteren Quartalszahlen bereits zum Zeitpunkt des Inkrafttretens eines neuen EBM festlegen zu können.
Betrachtet man ferner Jobsharing-Praxen, die bereits seit Jahren als solche abrechnen, stellt sich die Frage, ob sich über mehrere EBM-Änderungen in den vergangenen Jahre hinweg mit dieser Berechnung nicht inzwischen Gesamtpunktzahlvolumina ergeben müssten, die deutlich höher als derzeit berechnet ausfallen müssten, ggf. fast das Doppelte dessen, was vor Jahren im Ursprungsbescheid berechnet worden ist. Das wiederum führt zu der bislang nicht entschiedenen Frage, ob frühere Anpassungen durch Zulassungsausschüsse (und manchmal per KV-Beschluss) bestandskräftig sind bzw. ob man sie über § 44 SGB X revidieren kann.
Mit freundlichen Grüßen
Jan Frederichs
Rechtsanwalt