COVID-19-Pandemie: Situation für Geflüchtete verbessern!

Schatten

Der Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen e.V. (BDP) fordert die Bundesregierung auf, Geflüchtete verstärkt bei den Bemühungen zur Bekämpfung der Pandemie zu berücksichtigen und sie u.a. umgehend in dezentralen Wohneinheiten unterzubringen. Nur so kann die Verbreitung des Virus abgeschwächt und gleichzeitig negativen psychischen und physischen Folgen der Eindämmungs- und Kontrollmaßnahmen bei den betroffenen Menschen vorgebeugt werden.

Derzeit leben geschätzt die Hälfte der sich in Deutschland befindenden Geflüchteten in Gemeinschaftsunterkünften – gerade in diesen ist es jedoch kaum möglich, die erforderlichen Abstandsregeln sowie Hygiene-Maßnahmen vorschriftsmäßig umzusetzen: Sanitäreinrichtungen sowie Küchen werden größtenteils gemeinsam genutzt, W-Lan steht nur an wenigen Hotspots in den Einrichtungen zur Verfügung und führt zur Bildung von Menschentrauben, Handys dürfen mancherorts nicht auf dem Zimmer aufgeladen werden und enge Flure verhindern, den nötigen Abstand einzuhalten. Regelhaft müssen nicht selten mehrere Sicherheitstüren aus Feuerschutzgründen geöffnet und geschlossen werden, bevor überhaupt ein Waschbecken erreicht werden kann. Desinfektionsmittel stehen nur unzureichend zur Verfügung.
 

Zwar sind Abschiebungen aufgrund der Pandemie teilweise ausgesetzt worden, es werden jedoch weiterhin Vorbereitungen getroffen, die Betroffenen außer Landes zu bringen. Dies stellt einen erheblichen Stressfaktor dar - vor allem, wenn Beratungsdienste und Rechtsanwälte nur noch telefonisch erreichbar sind und kein Faxgerät zur Verfügung steht.
 

Neben dem akuten Gesundheitsrisiko, sich mit COVID-19 anzustecken, erleben Geflüchtete in Sammelunterkünften eine besondere psychische Belastung: Die Nachrichten aus den Heimatländern sowie die Medienberichterstattung über Corona verschärfen die Ängste und Sorgen. Der Kontakt zu Angehörigen ist teilweise unterbrochen. Vielerorts können neben der rechtlichen Beratung auch psychosoziale Begleitung und psychotherapeutische Maßnahmen nicht fortgeführt werden, wodurch sich vorhandene Symptome u. U. verschärfen.
 

Unter den Geflüchteten befindet sich zudem eine hohe Anzahl von Gewaltopfern, posttraumatische Belastungssyndrome sind wahrscheinlich. Rechtsstaatliche Maßnahmen, um Quarantäne einzurichten, können daher massive Ängste auslösen und sogar zu einer Retraumatisierung führen, wenn nicht gut kommuniziert wird, wozu die Maßnahmen dienen und wie es anschließend zum Schutz der Betroffenen weitergeht. Mögliche Folgen können eine Entsolidarisierung bzw. Demotivation zur Beteiligung an den Präventionsmaßnahmen sein, oder aber die Zunahme von autoaggressiven Handlungen oder von häuslicher Gewalt gegen Frauen und Kinder sowie gegen Minderheiten innerhalb der Einrichtung.
 

„Die Belegungsdichte in großen Einrichtungen sollte so schnell wie möglich reduziert und die medizinische sowie psychotherapeutische Versorgung der Geflüchteten bundesweit einheitlich verbessert werden“, fordert BDP-Präsidentin Dr. Meltem Avci-Werning. „Hierzu benötigen wir eine leicht verfügbare Sprachmittlung, um die Sprachbarrieren zu überwinden.“ Auch die mancherorts angeordnete „Kollektivquarantäne“ kritisiert Dr. Avci-Werning scharf, da diese einem (temporären) Freiheitsentzug gleiche: „Auch in einer gesundheitspolitischen und gesellschaftlichen Ausnahmesituation wie der jetzigen müssen die Menschenrechte gewahrt bleiben. Intensive Kommunikation mit den Betroffenen ist zudem vonnöten, um die notwendigen Maßnahmen zu erklären und damit für eine Akzeptanz zu sorgen.“

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