Stellungnahme des Berufsverbandes Deutscher Psychologinnen und Psychologen e. V. (BDP) zum Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung der Krankenhausreform (Krankenhausreformanpassungsgesetz (KHAG)
Referentenentwurf vom 30.7.2025
Berlin, 19.8.2025
Der Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen e. V. (BDP) mit seiner Fachsektionen für approbierte psychologische Psychotherapeut*innen (VPP) begrüßt den Prozess einer Krankenhausreform mit den Zielen der Sicherung und Verbesserung der Versorgungsqualität sowie einer stärker sektorenübergreifend geprägten Erbringung von Krankenhausleistungen aus dem Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz KHVVG.
Er hatte mit einer schriftlichen Stellungnahme weiterführende Aspekte betreffend der Qualitätssicherung formuliert und konnte zentrale Aspekte bei der Verbändeanhörung am 29.4.2024 mündlich vortragen.
Im aktuell vorliegenden KHAG soll nun die praktische Umsetzung der Regelungen aus dem KHVVG erleichtert werden. Es sollen Anpassungen vorgenommen werden bezogen auf Ausnahmeregelungen, Fristen und unter anderem auch betreffend Leistungsgruppen und deren Qualitätskriterien.
Mit Blick auf die vom BDP bereits zum KHVVG formulierten Änderungsvorschläge, vor allem betreffend der Versorgung schwer psychisch Erkrankter und betreffend der Sicherung einer leitlinienorientierten psychologischen und psychosozialen Versorgung bei schweren körperlichen Erkrankungen, sehen wir weiterhin Optimierungsmöglichkeiten.
Folgende Verbesserungsaspekte sieht der BDP:
- Klinische Psychologie und fachpsychologische Expertise bei schweren somatischen Erkrankungen verankern.
Bei schweren somatischen Erkrankungen sollten leitliniengemäße klinisch-psychologische Maßnahmen und Fachkräfte regelhaft in den Leistungsgruppen und zugehörigen Operationen- und Prozedurenschlüssel (OPS) integriert werden. Schwere und chronische körperliche Erkrankungen sind mit hohen psychischen Belastungen verbunden. Frühzeitige leitlinienorientierte Interventionen fördern den Genesungsprozess und befähigen Patient*innen, neue Bewältigungsstrategien zu entwickeln. Klinisch-psychologische Tätigkeitsfelder in „somatischen“ Versorgungsstrukturen erfordern besondere, fachspezifische Fort- und Weiterbildungen, die oftmals außerhalb der Curricula von psychotherapeutischen oder medizinischen Aus- und Weiterbildungen liegen (z. B. Psychoonkologie, Palliativpsychologie, Gerontopsychologie, Psychodiabetologie, Psychokardiologie, Notfallpsychologie).
Sie sollten im Rahmen der neu eingeführten Leistungsgruppen und in zugehörigen OPS erfasst werden. In diesem Zusammenhang bedarf es einer deutlichen Verbesserung der Qualitätskriterien in den Leistungsgruppen der genannten Leistungsbereiche. Unscharfe Begrifflichkeiten wie „Psychosozialdienst“ sichern keine adäquate Personalqualität zur Er- bringung der im OPS vorgesehenen Leistungen. Der BDP regt ebenso wie die Bundesar- beitsgemeinschaft Psychosoziale Versorgung im Akutkrankenhaus (BAG-PVA) zur Sicherung der Qualität eine weitere Ausarbeitung der Kriterien und der eingeschlossenen Fachexpertise an.
- Es fehlen konkrete Verbesserungen für die Versorgung von Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen in stationärer Behandlung. Eine wirksame, leitlinienorientierte Behandlung ist hier zwingend erforderlich.
Die psychotherapeutische Behandlung stellt dabei einen Schwerpunkt dar. In der Regel erfolgt die psychotherapeutische Behandlung in Psychiatrie und Psychosomatik durch Psychologische Psychotherapeut*innen.
2.1. Leistungsgruppe Psychiatrie/Psychosomatik überarbeiten
Die vorbestehende Leistungsgruppe Psychiatrie/Psychosomatik sieht hier eine Orientierung an der seit 2019 in Kraft getretenen Personal in Psychiatrie und Psychosomatik-Richtlinie (PPP-RL) vor. Diese ist jedoch stark zu kritisieren, da eine an aktuellen wissenschaftlichen Leitlinien orientierte Behandlung durch die Vorgaben der PPP-RL nicht ausreichend umgesetzt werden kann. Die seit Jahrzehnten bestehenden, veralteten Personalvorgaben der Psychiatrie-Personalverordnung (Psych-PV) wurden in der PPP-RL weitgehend übernommen, obwohl im Rahmen eines Gesetzesauftrages von 2016 die stationäre Versorgung psychisch Erkrankter verbessert werden sollte. Personalvorgaben der PPP-RL werden dabei immer noch nicht umgesetzt: Sanktionierungsfristen für Krankenhäuser wurden wiederholt nach hinten verschoben oder abgeschwächt. Nach Mindestvorgaben der PPP-RL ist auf sog. Regelstationen keine Psychotherapie durch Psychologische Psychotherapeut*innen möglich und auf einer psychotherapeutischen Station nur ca. eine Behandlungsstunde pro Woche; nur auf intensivtherapeutischen Stationen werden 1-2 Behandlungsstunden pro Woche als Minimum angesetzt. Der BDP sieht es hier als notwendig an, die Leistungsgruppe für Psychiatrie und Psychosomatik zu überarbeiten und folgende Mindestvoraussetzungen zu schaffen: Es sollten zwei Behandlungsstunden Psychotherapie pro Woche für alle stationär Behandelten auf allen Stationen vorgehalten werden, zusätzlich zu Besprechungszeiten, Diagnostik und weiteren Standardtätigkeiten.
2.2 Lösungen für Polypharmazie suchen
Die Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung benannte in der 8. Stellungnahme und Empfehlung zur Psychiatrie/Psychosomatik das Problem der Polypharmazie. Im Rahmen der Überarbeitung der Leistungsgruppe Psychiatrie/Psychosomatik sollten gezielte Qualitätskriterien zur Verhinderung polypharmazeutischer Behandlungsdynamiken erarbeitet werden.
2.3. Expert*innen im BMG-Ausschuss
Im Ausschuss des BMG, der inhaltliche und rechtsverbindliche Empfehlungen erarbeitet, sollten die Bundespsychotherapeutenkammer als Vertretung der heilberuflichen Psychotherapie sowie Fachpsycholog*innen für psychologische Aspekte im Rahmen belastender somatischer Erkrankungen vertreten sein.
- Sektorenübergreifende Strukturen in Psychiatrie und Psychosomatik bundesweit ausbauen
Die Umsetzung der Vorschläge der Regierungskommission (8. Stellungnahme und Empfehlung) zur sektorenübergreifenden Versorgung sollten in diesem Gesetzentwurf Berücksichtigung finden. Ein flexibler Wechsel zwischen voll-, teilstationärer, tagesklinischer oder ambulanter häuslicher Behandlung sollte möglich werden. Darüber hinaus sollten unbedingt auch SGB V-übergreifende Strukturen (z. B. Nutzung und Koordination von Strukturen der beruflichen Teilhabe, SGB IX; stationäre Jugendhilfe, SGB VIII) etabliert werden, um ein effektives Entlassmanagement umzusetzen, frühzeitig ambulante Hilfestrukturen zu etablieren und somit stationäre Behandlungen weiter verkürzen zu können. Während einer stationären Behandlung sollten neben Probatorik auch psychotherapeutische Sprechstunden in Praxen möglich sein.
- Nachwuchs sichern
Weiterhin ist es dringend notwendig, die Finanzierung der neuen psychotherapeutischen Weiterbildung auf der Grundlage der neuen Approbation beim Abschluss des Studiums endlich gesetzlich zu regeln. Wir sprechen hier von bereits approbierten Psychotherapeut*innen, die eine fachkundliche Weiterbildung absolvieren müssen. Es handelt sich hier um ein Versäumnis der Vor-Vorgängerregierung unter Gesundheitsminister Jens Spahn im Zusammenhang mit Psychotherapeutenausbildungsreformgesetz aus dem Jahre 2020 (!). Es besteht dringender Handlungsbedarf durch eine bundesgesetzliche Regelung der Finanzierung der psychotherapeutischen Weiterbildung. Wenn die Finanzierung nicht klar durch den Bund geregelt wird, wird es mittelfristig einen Mangel an qualifizierten Psychotherapeut*innen geben. In der bisherigen psychotherapeutischen Ausbildung leiden die Kolleg*innen darunter, in den Klinikanteilen der Weiterbildung finanziell ausgebeutet zu werden. Ein Lohn von 1.000 € im Monat für akademisch ausgebildete Psycholog*innen ist nicht akzeptabel. Die Absolvent*innen des neuen Approbationsstudienganges müssen die Weiterbildung absolvieren, um die Fachkunde zu erreichen. Diese gilt als Voraussetzung, um mit den gesetzlichen Krankenversicherungen abzurechnen. Mittelfristig ist somit die Sicherstellung der psychotherapeutischen Versorgung – auch in den Krankenhäusern – in Gefahr.
Für Ihre Fragen stehen wir sehr gern zur Verfügung.
Ihre Ansprechpersonen:
| Thordis Bethlehem | Susanne Berwanger |
| Präsidentin Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen e. V. (BDP) | Vorsitzende der Fachsektion VPP im BDP |
| E-Mail: t.bethlehem@bdp-verband.de | E-Mail: s.berwanger@bdp-verband.de |
Quellen:
BDP (2024): Stellungnahme zu Psychiatrie, Psychosomatik und Kinder- und Jugendpsychiatrie („Psych-Fächer“): Reform und Weiterentwicklung der Krankenhausversorgung. Achte Stellungnahme und Empfehlung der Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung. Link
BDP (2024): Stellungnahme des BDP zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Versorgungsqualität im Krankenhaus und zur Reform der Vergütungsstrukturen (Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz – KHVVG). Link
ZfP Südwürttemberg: Schussenrieder Tabelle 2018 und 2020. Vergleich der Minutenwerte Psych-PV und PPP-RL. Link, zuletzt abgerufen am 19.8.2025
Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen (2022): Krankenhausplan Nordrhein-Westfalen 2022. Die Strukturen müssen für die Menschen da sein, nicht die Menschen für die Strukturen. Link, zuletzt abgerufen am 19.8.2025
BDP (2021): Stellungnahme zum Entwurf der PPP-RL. Link