Stellungnahme der Fachsektion VPP im BDP e.V. zum Methodenpapier 3.0

Entwurf des WBP

Der VPP im BDP e.V. hält es für dringend angezeigt zum vorgelegten Methodenpapier 3.0 des WBP Stellung zu nehmen:

Am 01.08.2023 wurde der Entwurf einer Überarbeitung des Methodenpapiers des WBP vorgelegt. Eine Überarbeitung sei nötig auf Grund der Einrichtung eines eigenen Studiengangs für klinische Psychologie/Psychotherapie durch die Novellierung des sg. Psychotherapeutengesetzes.


In "I. Grundlagen der Beurteilung der wissenschaftlichen Anerkennung von psychotherapeutischen Verfahren und Methoden" hebt der WBP hervor, dass er seine Verfahrensregeln „basierend auf den Erfahrungen mit den bisherigen Begutachtungen und unter Berücksichtigung aktueller methodologischer Entwicklungen der Evaluationsforschung" niederlegt und "seine Prozesse zur Beurteilung (...) kontinuierlich weiterentwickelt".


Beide Aspekte bedürfen aus unserer Sicht jedoch der kritischen Betrachtung und Würdigung.

  • 1. Anpassungsnotwendigkeit auf Grund einer neuen Gesetzeslage


Aktuell sind Kolleg*innen noch nach der früheren Gesetzesvariante in "Ausbildung" (PiA). Für diese bräuchte es also keine Veränderung des Methodenpapiers. Parallel haben Absolvent*innen mit einer Approbation am Ende der universitären Ausbildung ihre "Weiterbildung" (PiW) begonnen. Diese erfolgt unter "Kontrolle" von Landespsychotherapeutenkammern. Für diese hat der WBP allerdings keinen gesetzlichen Auftrag zu einer Begutachtung. Es stellt sich hier also die Frage nach der Bedeutung des WBP und somit auch seines Methodenpapiers. "Die Entscheidung (über die Approbation) trifft die zuständige Behörde des Landes, in dem die antragstellende Person die (...) Prüfung abgelegt hat" (§22 (1) PsychThG). Nach neuem Recht hat der WBP anscheinend hier keine Befugnis. Unter "I.1 Psychotherapeutische Verfahren und Methoden" führt der WBP selbst aus, dass gemäß § 8 PsychThG "die zuständige Behörde die wissenschaftliche Anerkennung (...) feststellt und sich "in Zweifelsfällen auf ein Gutachten des  Wissenschaftlichen Beirats Psychotherapie" stützt. Damit sind die Landesbehörden gemeint, die nach altem Recht für die Approbation zuständig sind. Weder Gesetz noch Approbationsordnung regeln jedoch den Einfluss des WBP auf das Studium (nach aktueller Gesetzeslage). Die Approbationsordnung fordert in Anlage 1, 7. zu den Inhalten des Bachelorstudiengangs: Studierende "beurteilen die Wirkungsweise und Einsetzbarkeit der wissenschaftlich geprüften und anerkannten psychotherapeutischen Verfahren und Methoden (...)" Anlage 2 zum Masterstudiengang greift diesen Punkt nicht (mehr) auf.


Im nachfolgenden Absatz hebt der Entwurf 3.0 hervor, dass die Weiterbildung in Ordnungen der Landespsychotherapeutenkammern und Landesärztekammern geregelt wird und führt für beide Kammerarten dezidiert Weiterbildungsinhalte auf. Kammern sind allerdings nicht den Landesbehörden gleichzusetzen. Es fragt sich also, welche legal übertragene Aufgabe dem WBP nach der neuen Gesetzeslage überhaupt zukommt.


Unabhängig hiervon haben seine Auffassungen weitreichende Wirkungen auf die Vorstellungen von Psychotherapie in Lehre und Forschung. Der WBP wurde informell zu einer/der Institution, die über die eigene Zuständigkeit hinaus normative Kraft entwickelt hat. Dies zeigt sich z.B. in der Einengung der Hochschulen auf den Fokus von RCT-Studien als nahezu einzige Form der Interpretation von "evidenz-basiert". Schon aus diesem Grund ist die Forderung nach einer präzisierenden Beschränkung der Zuständigkeit des WBP angebracht.

  • 2. Anpassung an aktuelle methodologische Entwicklungen und Evaluationsforschung


In seiner Auflistung von Definitionen zu Verfahren, Methoden, Anerkennungskriterien usw. schreibt der Entwurf 3.0 nahezu unverändert seine bisherige Auffassung fort, in der RCT-Studien das Maß aller Dinge darstellen. Er übersieht dabei, dass die Entwicklung international seit Jahren in eine andere Richtung geht als der Überprüfung von isolierbaren Faktoren psychotherapeutischer Interventionen unter Labor- oder Quasi-Laborbedingungen. Unbestritten ist – und wird auch von Mitgliedern des WBP außerhalb von dessen formalem Rahmen vertreten – die Bedeutung sg. kontextueller Faktoren, die dem komplexen, nicht-linearen, idiosynkratischen und zuweilen sprunghaften Geschehen in Psychotherapien eher gerecht werden: Beziehungsaspekte, Adherence-Aspekte, Kooperationsaspekte usw. Die weiterhin im Fokus der Beurteilungslogik des WBP stehenden verfahrensspezifischen Aspekte verschwinden geradezu als Wirkfaktoren für den 
Erfolg einer Psychotherapie.


Dahingegen sind die von der aktuellen internationalen Forschung hervorgehobenen kontextuellen Wirkfaktoren geradezu deckungsgleich mit dem Therapieverständnis und der Therapiekonzeption der Humanistischen Psychotherapie. Das war allerdings auch schon früher der Fall, also zu Zeiten der Formulierung von Vorgängervarianten des Methodenpapiers.


Wir stellen darüber hinaus fest, dass der WBP bei seinen bisherigen Stellungnahmen bezüglich der verschiedenen Verfahren unterschiedliche Maßstäbe angelegt hat. Keines der als Richtlinienverfahren bezeichneten Verfahren wurde nach den Kriterien beurteilt, die der WBP an die Humanistische Psychotherapie anlegt, auch nicht die zuletzt in den Kanon aufgenommene Systemische Psychotherapie. Es mangelt an einer Begründung des WBP dafür, nach welcher Variante seines Methodenpapiers er Prüfungen vorgenommen hat. Die Zeitpunkte der Beantragungen der Prüfungen geben eine solche nicht her. Das allein genommen lässt die Vorgehensweise des WBP willkürlich erscheinen und versetzt ihn in eine wissenschaftlich und rechtlich angreifbare Position. Höchst kritikwürdig ist, dass der WBP bei der Bearbeitung des Antrags der Arbeitsgemeinschaft Humanistische Psychotherapie (AGHPT) von 2012 in seinem Gutachten 2017 nicht nur der in diesen Antrag aufgenommenen Verfahrensgruppe die Anerkennung verweigert, sondern ohne Auftrag die bereits früher erfolgte Anerkennung der personzentrierten-experienziellen Psychotherapie ("Gesprächspsychotherapie") wieder zurückgenommen hat.

Es stellt sich angesichts des Umstandes, dass sich z.Zt. neben den vier international vertretenen Grundorientierungen tiefenpsychologisch, systemisch, lernpsychologisch und humanistisch nirgends eine weitere erkennen lässt, die Frage, welchen Zweck der WBP mit seinem Methodenpapier überhaupt verfolgt. Die Beurteilungstradition heranziehend kann man mutmaßen: Der einzige Zweck scheint die fortgesetzte Verhinderung der Aufnahme der Humanistischen Psychotherapie in das deutsche Gesundheitssystem zu sein. Abschließend bleibt zu ergänzen, dass es sich bei den feingliedrig ausdifferenzierten Verfahrensvorschriften für die Anerkennung eines Therapieverfahrens um einen idealistischen Anspruch handelt. Diesem wird nachgegangen ohne Bezug zur Durchführung von Psychotherapie in der 
Alltagspraxis. Dort bildet "Verfahrenstreue" regelhaft die Ausnahme. Auch wenn es dafür nach unserem Kenntnisstand nur etwas ältere Erhebungen gibt, kann man als unbestritten ansehen, dass sich die Designs der als Grundlage für Anerkennungsverfahren dienenden Studien und dierealen Therapiesituationen nicht entsprechen. Das deutsche Regelwerk und seine Anwendung hat Auswirkungen auf die Patientenversorgung, auf die Forschung, auf die Lehre (die nahezu ausschließlich VT-orientiert erfolgt) und letztlich auch auf das Renomée deutscher Psychotherapie im internationalen Kontext. Eine gründliche und grundsätzliche Revision ist aus allen von uns genannten Perspektiven heraus unabdinglich. Eine punktuelle Kritik einzelner Formulierungen des Methodenpapiers würde dieser Notwendigkeit nicht gerecht.


Der Vorstand des VPP im BDP e.V.


Susanne Berwanger / Hans Jürgen Papenfuß / Franziska Urban / Sandra Cotta / Christel Bentz / Gunter Nittel
Unterstützung: Roland Raible
Orientiert an der Vorlage von: Prof. Dr. Jürgen Kriz

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Kategorien:
Stellungnahme
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