Landespsycholog*innentag 2021 am 20. November 2021

Der Landespsychologentag fand bei guter Stimmung, sonnigem Herbstwetter und reger Beteiligung von Kolleg:innen online statt. Wir konnten Herrn Dr. Johann Schneider gewinnen, uns in seinem Vortrag einen historischen Einblick in die Geschichte der angewandten Psychologie an der Saar zu gewähren. Es war gleichzeitig auch ein Blick in die persönliche Geschichte der Teilnehmenden. Viele kennen und schätzen Herrn Dr. Schneider als ehemaligen Hochschullehrer in der Fachrichtung Psychologie der Universität des Saarlandes. Er hatte viele in der Runde mit seiner zugewandten und wertschätzenden Art in den Diplomprüfungen begleitet, prägende Impulse in Lehrveranstaltungen gegeben und bei Diplomarbeiten unterstützt. In seinem gründlich und umfassend recherchierten Vortrag „Historische Entwicklung der angewandten Psychologie: Wie die Psychotechnik an die Saar kam – Adolf Moritz Friedrich und die Anstalt für Arbeitskunde“ ging es um den Beitrag der seinerzeit so bezeichneten Psychotechnik für Betriebe und öffentliche Einrichtungen. Es ist bekannt, dass das ehemalige „Saargebiet“ durch Kohlebergbau und Stahlindustrie geprägt war und ist. Auf dem Gelände des Gussstahlwerks in Saarbrücken-Burbach war Dr. Ing. Adolf Moritz Friedrich im Jahr 1927 Mitgründer und wissenschaftlicher Leiter der „Anstalt für Arbeitskunde“. Friedrich war ein Schüler von Walther Moede und Nachfolger von Willy Hellpach auf das Extraordinariat für Psychologie und des Instituts für Sozialpsychologie der TH Karlsruhe. Er habilitierte mit dem Thema „Die wertschaffenden Methoden der industriellen Psychotechnik“. An der Saar hat er, mit einem großen Talent für motivierende Vorträge gesegnet, in Industrie und Verwaltung Förderer gefunden, so dass die Gründung der Anstalt hier möglich wurde. Es ging ihm nicht um Auslese oder Aussonderung im Kontext der beruflichen Eignung, sondern um betriebliche Eingliederung und Förderung der Mitarbeitenden. Seine Ziele: Menschen seelisch, charakterlich und beruflich für die Arbeit fähig zu machen. Wichtig war ihm, das Arbeitsleben harmonisch in das Lebensumfeld der Mitarbeitenden zu integrieren. Die Verantwortung der Führungskräfte, die in der „Anstalt“ qualifiziert wurden, sah er in der Erziehung und der Förderung der Mitarbeitenden. Das sind durchweg moderne Gedanken, die uns heute zum Beispiel mit den Begriffen Inklusion, Teilhabe, Potentialentwicklung, Work-Life-Balance, Enablement, Führungskraft als Coach erscheinen.

Zu den Aufgaben der „Anstalt“ gehörten: Ausbildung der notwendigen Übungs- und Prüfverfahren; Ermittlung und Festlegung der Grundsätze für Menschenführung, Menschenbehandlung und Erfahrungsregeln für die Entwicklung der Fähigkeiten; Ausbildung von Prüf- und Übungsleitern der einzelnen Werke; Durchführung der Übungen und Prüfungen für Werke ohne menschenwirtschaftliche Stellen; Schulung von Meistern und Vorarbeitern in Fragen der Menschenführung und Organisation; Beratung bei der psychologischen Behandlung der Arbeitsmittel, Arbeitsanweisungen, Unfallverhütungswerbung und in allen Sonderfällen menschenwirtschaftlicher Art.

Mit der Selbstauflösung der „Anstalt“ als Reaktion auf eine Übernahme durch die Deutsche Arbeitsfront 1935 und der Tätigkeit Friedrichs als „Leiter der Abteilung Berufsausbildung und Leistungsertüchtigung in der Reichswirtschaftskammer Berlin“ geriet seine Arbeit in Vergessenheit.

Um den Beitrag Friedrichs für die angewandte Psychologie zu würdigen, sei Gerhard P. Bunk zitiert: „... Von A.M. Friedrich ist bekannt, dass er viel mehr ein Mann des mitreißenden Wortes als der Feder war. Wenn seinen Ausführungen die der AFAS angehörenden (deswegen nicht minder kühl rechnenden) Unternehmer „begeistert“ zustimmen, dann mag das für sich sprechen...“ (Erziehung und Industriearbeit, 1972; AFAS – Anstalt für Arbeitskunde Saarbrücken).

Wir danken Herr Dr. Schneider, der von sich selbst sagte, dass er in der Thematik gerne als „Historiker“ unterwegs war und auf diesem Wege viele auch für ihn neue Einblicke gewinnen konnte.

In der anschließenden Diskussion wurde deutlich, dass unsere psychologisch fundierte Arbeit in vielen wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Kontexten valide und wertige Beiträge leistet. Und: Das es uns nicht immer gelingt, nicht nur Gutes zu tun, sondern uns auch entsprechend zu positionieren und darüber wirksam zu kommunizieren.

Im zweiten Teil der Veranstaltung gab Annette Schlipphak, Vizepräsidentin des Berufsverbands, interessante Einblicke in die Verbandsaktivitäten in diesem und im nächsten Jahr. Sie erläuterte einige der vielfältigen Aktivitäten und Initiativen des Verbands, die im Vorstandsbericht für alle Mitglieder des Verbands im Detail dargestellt sind. Gerne nahm Sie die Anregung aus dem Kreis der Teilnehmenden auf, zum Beispiel durch professionelles Marketing und politische Lobbyarbeit das Engagement und die Expertise der Menschen, die als Psychologen und Psychologinnen für das Wohl ihrer Mitmenschen tätig sind, stärker zu kommunizieren.

Für den Vorstand der Landesgruppe geht ein arbeitsreiches Jahr zu Ende: Eine neu gestaltete, aktuelle Internetseite und insgesamt vier sehr interessante und gut frequentierte Veranstaltung haben zu Vernetzung, Meinungsbildung, Erfahrungs- und Wissensaustausch beigetragen. Im nächsten Jahr wird im Saarland der Landtag gewählt: Eine gute Gelegenheit, auf politische Entscheider zuzugehen. Zudem planen wir, den Kontakt zur Fachrichtung Psychologie an der Universität des Saarlandes zu aktivieren und insbesondere bei Studierenden Interesse für die berufspolitische Arbeit zu wecken.

Christian Lorenz

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LG Saarland
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