Herausforderungen, Ziele und Maßnahmen im Umgang mit der Pandemie aus psychologischer Sicht

Deutschland hat die Herausforderungen durch COVID-19 im internationalen Vergleich bisher sehr gut gemeistert. Dieser gemeinsam erreichte Erfolg muss nun gesichert und weiter ausgebaut werden. Diese Situation bietet eine gute Basis, stellt aber zugleich besondere Anforderungen an die unmittelbare Zukunft und die notwendigen nächsten Schritte: Die aktuelle Herausforderung besteht in der geordneten Lockerung des Lockdowns bei gleichzeitig anhaltender Wachsamkeit und erhöhter Reaktionsbereitschaft. Die Psychologie als Wissenschaft des Erlebens und Verhaltens von Menschen gibt wichtige Hinweise für die Umsetzung pandemiebezogener Verhaltensänderungen. Diese stehen im Zentrum, wenn es darum geht, sich selbst und andere zu schützen, soziales und wirtschaftliches Leben möglich zu machen sowie den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu bewahren.

Aus psychologischer Sicht identifizieren wir im vorliegenden Papier die Kernthemen Stimmungswandel, Schutzverhalten, psychische Folgen, gesellschaftlicher Zusammenhalt und aussagekräftige Datengrundlage als zentral. Für diese benennen wir auf Basis psychologischer Expertise die jeweiligen Herausforderungen und Ziele und schlagen konkrete Maßnahmen vor.
Wir sind uns unserer gesellschaftlichen Verantwortung als Psychologenschaft bewusst und stellen unsere Fachkompetenz zum weiteren Management der Krise zur Verfügung.


Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen e.V. (BDP)
Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK)
Deutsche Gesellschaft für Psychologie e.V. (DGPs)
Leibniz-Zentrum für Psychologische Information und Dokumentation (ZPID)



Möglicher Stimmungswandel

Herausforderungen
Nicht zuletzt dank der erfolgreichen Bewältigung der gesundheitlichen Bedrohung durch COVID-19 können wir in Deutschland eine mediale und politische Aufmerksamkeitsverschiebung zu den durch die Pandemie verursachten wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen beobachten. Dabei droht ein Stimmungswandel, der den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die aktive Mitarbeit der Bevölkerung an den weiterhin erforderlichen Maßnahmen zur Krisenbewältigung untergraben kann. Ernste Warnsignale sind das Auftreten von Verschwörungserzählungen und Sorglosigkeit im Umgang mit der Ansteckungsgefahr. Hintergrund dieser Entwicklung sind die allgemeinen Gesetzmäßigkeiten der menschlichen Motivation und Informationsverarbeitung, die auch in der gegenwärtigen Krise zu Tage treten. Besonders relevant sind hierbei Bedürfnisstrukturen, Risikowahrnehmung, unrealistischer Optimismus und eine kurzfristige Zeitorientierung.
Risikowahrnehmung unterliegt psychologisch identifizierten Mustern: Wir überschätzen unbekannte, außergewöhnliche und unfreiwillige Risiken und unterschätzen bekannte, alltägliche und freiwillige Risiken. Dementsprechend neigen wir dazu, unsere Ressourcen v.a. gegen die erstgenannten Risiken einzusetzen. Allerdings ist unsere Einschätzung dieser Parameter fehleranfällig, was zu einer ineffizienten oder falschen Ressourcenzuordnung führen kann. Menschen sind im Durchschnitt zudem unrealistisch optimistisch, wie etwa die Selbsteinschätzungen zu Autofahrkompetenzen, Intelligenz, der eigenen Popularität und nicht zuletzt Gesundheit zeigen. So halten wir uns bspw. selbst für weniger anfällig für COVID-19 als andere Personen unseres Alters. Zudem wird unser Verhalten v.a. durch seine kurzfristigen und deterministischen Konsequenzen gesteuert (z.B. durch die Wahrnehmung, dass es aktuell wenige Fälle von Infizierten gibt). Langfristige mögliche Folgen unseres Handelns haben dagegen deutlich weniger Einfluss auf uns (also die Aussicht, dass eine weitere Welle wahrscheinlicher wird, je mehr Personen die Regeln missachten). Auch eine ungleiche Verteilung von persönlichen Kosten und gesellschaftlichem Nutzen der Maßnahmen gegen die Pandemie gefährden die nachhaltige Mitwirkung der Bevölkerung.

Die Unsicherheit, die mit der COVID-19-Pandemie einhergeht, schafft auch einen fruchtbaren Boden für potentiell schädliche Verschwörungserzählungen. Wer diesen anhängt, findet die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie eher übertrieben, ärgert sich stärker darüber und zeigt auch deutlich weniger Schutzverhalten. Die psychologische Forschung zeigt, dass Menschen anfälliger für Verschwörungsmythen werden, wenn wichtige Bedürfnisse unerfüllt sind. Im Kontext von COVID-19 ist die Befriedigung der Bedürfnisse nach Sinn, Sicherheit und Sozialem von besonderer Bedeutung, denn Menschen suchen nach Erklärungen für wichtige Ereignisse. Bei mangelndem Wissen können sie stärker zu Verschwörungsmythen neigen, in denen vermeintlich einfache Erklärungen durch die Machenschaften mächtiger Akteure plausibel erscheinen. Menschen suchen auch nach Sicherheit. Wenn sie nach ihrer Wahrnehmung keine oder nur geringe Kontrolle über wichtige Lebensbereiche haben, dann kann der Glaube an den Einfluss alternativer Mächte entstehen, bei denen stattdessen die Entscheidungsgewalten liegen. Und schließlich suchen Menschen nach sozialer Anerkennung; sie möchten ein positives Bild von sich selbst und ihrer Bezugsgruppe haben. Dabei sind Menschen mit einem besonders starken Bedürfnis, sich anderen überlegen zu fühlen, eher anfällig für Verschwörungserzählungen. Eine langfristig
erfolgreiche Bewältigungsstrategie stellen sie jedoch nicht dar. Die kontinuierliche Suche nach bestätigenden Informationen kann stattdessen dauerhaft negative Emotionen auslösen. Der Umgang mit Verschwörungserzählungen birgt potenzielle politische Heraus-forderungen und erfordert besonderen Interventionsbedarf.

Ziele

  1. Normen eindeutig und nachvollziehbar kommunizieren und so deren Einhaltung optimieren
  2. Durch Gelegenheit zur aktiven Mitwirkung Kontrollgefühl der Bevölkerung steigern und dem Ärger über Einschränkungen (Reaktanz) vorbeugen
  3. „Fake News“ und Verschwörungserzählungen wirksam bekämpfen durch Identifikation vulnerabler Gruppen und gut zugängliche, nachvollziehbare Kommunikation

Maßnahmen

  • Bei Entscheidungstragenden Wissen und Fähigkeiten zur Korrektur von Falschinformationen trainieren
  • Informationen in verständlicher Sprache, regelmäßig, und barrierefrei darbieten und leicht zugänglich machen sowie dabei eindeutig und gut begründen
  • Das momentane Geschehen mit Verweis auf Verläufe bekannter Infektionskrankheiten historisch kontextualisieren, um dessen Außergewöhnlichkeit zu reduzieren
  • In der Kommunikation sowohl an das Eigeninteresse als auch an die Fürsorge gegenüber anderen appellieren
  • Kontrollüberzeugung steigern, indem Empfehlungen und Vorschriften an die Bevölkerung einen möglichst hohen und konkreten Anteil eigener und gemeinsamer Aktivität beinhalten
  • Eigenverantwortung in der Kommunikation betonen, um das freiwillige Befolgen der Maßnahmen zu verbessern


2. Schutzverhalten und Pandemie-Management


Herausforderungen
Aus der Epidemiologie und Virologie kommen Warnungen vor möglichen weiteren Wellen der COVID-19-Pandemie; Ähnliches war bereits in früheren Pandemien zu beobachten. Hinzu kommen lokale Ausbruchsgeschehen, die eine schnelle Reaktion erfordern, um kleine Infektionsherde nicht zu einem „Flächenbrand“ werden zu lassen. Solange weiterhin kein effektives Medikament oder ein Impfstoff vorhanden sind, wird die Ausbreitung des Virus weiterhin nur durch schnelle und umfangreiche Maßnahmen der Verhaltensveränderung zu verhindern sein. Hierbei spielt die Psychologie eine zentrale Rolle, indem sie Hinweise geben kann, wie Maßnahmen kommunikativ gestaltet werden können und welche Zielgruppen besonders relevant sind.
Eine Herausforderung wird die Akzeptanz der Bevölkerung bei einem möglichen weiteren Lockdown darstellen, v.a. da nun bereits Erfahrungen mit den möglichen negativen psychologischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Folgen gemacht worden sind. Aus psychologischer Sicht muss neben den oben genannten Aspekten beachtet werden, dass spezielle Gruppen, die z.B. in der Pandemie von größeren Belastungen betroffen waren wie etwa junge Menschen unter 30 oder Jugendliche, die entwicklungsbedingt dazu neigen, ein höheres Risikoverhalten zu zeigen. Diese könnten besondere Schwierigkeiten haben, sich erneut an strikte Regeln zu halten.
Insgesamt zeigt sich jedoch in verschiedenen Studien sowohl eine hohe Bereitschaft zum solidarischen Handeln und zahlreiche Studien belegen die Relevanz von Empathie und Prosozialität für das Ergreifen von Schutzverhalten. Zum langfristigen Pandemie-Management zählen auch Maßnahmen wie eine Tracing App, Impfungen oder Masken. Diesen stehen Teile der Bevölkerung skeptisch gegenüber, sodass hier Faktoren der Akzeptanz der Maßnahmen und der begleitenden politischen Rahmenbedingungen untersucht werden müssen.

Ziele

  1. Motivation zur Befolgung aktueller Schutzmaßnahmen verstehen und daraus Maßnahmen ableiten, wie diese Motivation aufrechterhalten werden kann
  2. Langfristige Verhaltensänderungen erreichen, z.B. auf Basis psychologischer Befunde zum Erwerb neuer Handlungsroutinen
  3. Notwendige Verbote und Gebote angemessen und nachvollziehbar kommunizieren, sodass sie möglichst gut akzeptiert und befolgt werden

Maßnahmen

  • Nutzen und potenzielle Risiken einer möglichen Impfung gegen COVID-19 verständlich kommunizieren, z.B. durch Faktenboxen oder Entscheidungsbäume
  • Kommunikationsmaßnahmen auf Basis psychologischer Forschung entwickeln, die relevante Konzepte zur psychosozial gesunden Krisenbewältigung unterstützen, z.B. individuelles Autonomie-, Kompetenz- und Kontrollerleben sowie Solidarität und Gemeinschaftserleben
  • In der medialen Berichterstattung mittels angemessener Vergleichsmaßstäbe und realistischer Ankersetzungen „entkatastrophisierend“ wirken

3. Psychische Folgen


Herausforderungen
Erfahrungen aus früheren Krisen zeigen, dass es zwar kurzfristig zu einem Rückgang von Ängsten, Depressionen und Suizidraten kommen kann, dass aber mittel- und längerfristig mit einem deutlichen Anstieg psychischer Probleme zu rechnen ist. Dieser Effekt wird auch über negative sozioökonomische Folgen vermittelt und betrifft dementsprechend verschiedene Segmente der Bevölkerung unterschiedlich stark. Die gesundheitlichen Auswirkungen der sozioökonomischen Folgen sind wiederum stark von der psychischen Verarbeitung der Belastungserfahrungen abhängig. Dabei spielen wahrgenommene Kontrollierbarkeit und Vorhersagbarkeit eine entscheidende Rolle. Diese sind bei ohnehin schon benachteiligten Gruppen (u.a. bei niedrigem sozioökonomischem Status, Alleinerziehende) häufig gering ausgeprägt, sodass sie von den negativen psychischen Auswirkungen der Krise besonders stark betroffen sein werden. Dabei besteht die Gefahr der Verfestigung dysfunktionaler Einstellungen zu den eigenen Lebenschancen und zur Gerechtigkeit der Gesellschaft (“Lower Class Mindset”), die zudem über die Generationengrenzen hinweg weitergegeben werden können.
Die psychologische Forschung zeigt, dass unser Gedächtnis dynamisch ist und seine Inhalte im Lichte späterer Erfahrungen immer wieder neugestaltet werden. Für die langfristigen psychischen Folgen der COVID-19-Krise ist es daher von äußerster Bedeutung, ob die gegenwärtigen Ereignisse im Nachhinein als kollektive Bewältigungserfahrung und damit als gemeinsames Erfolgserlebnis oder als Misserfolgserlebnis mit Betonung gesellschaftlicher Unterschiede und negativer Erfahrungen im Gedächtnis abgespeichert werden. Im ersteren Fall werden sich die psychischen Folgen in Grenzen halten, in zweiten Fall droht dagegen eine weitere Verschärfung des bereits bestehenden Trends zu stark wachsender Arbeitsunfähigkeit und Frühberentung aufgrund von Angststörungen und Depressionen.
Zwei wichtige Problembereiche sind bereits zu beobachten: die besondere Belastung von medizinischem und pflegerischem Personal sowie innerfamiliäre Konflikte (z.B. häusliche Gewalt). Bei medizinischem und Pflegepersonal müssen Extrembelastungen ausgeglichen werden, bevor sie traumatische Ausmaße annehmen, zu psychischen Störungen führen und die Leistungsfähigkeit beeinträchtigen. In Familien kann es durch Überforderung und das Fehlen von Schutzräumen, Unterstützungs- und Überwachungsstrukturen verstärkt zu Vernachlässigung, Konflikten bis hin zu Gewalt kommen. Diese Gefahr wächst mit zunehmender Dauer und steigenden wirtschaftlichen bzw. sozialen Folgeproblemen der Pandemie.


Ziele

  1. Besonders gefährdeten Gruppen schnell und gezielt helfen; Ressourcen identifizieren und Resilienz stärken
  2. Ein kollektives Erfolgserlebnis herausarbeiten und die negative Umdeutung der bisherigen Erfolge verhindern
  3. Ängste, Unsicherheit, Sorgen und Depressionen reduzieren, ihrer Chronifizierung vorbeugen und ihre transgenerationale Weitergabe minimieren; Verfestigung von dysfunktionalen Mindsets verhindern

Maßnahmen

  • Barrierefreie, niederschwellige und adressatengerechte Unterstützungsstrukturen (online, telefonisch) sicherstellen, insbesondere für Risikogruppen wie beruflich Pflegende und pflegende Angehörige sowie für bestimmte Patientengruppen, bspw. ältere Menschen
  • Zugang zu Unterstützung für Frauen, Kinder und Familien aufrechterhalten und Hotlines, Krisendienste, Unterkünfte und Schutzdienste zur Verfügung stellen
  • Adressatengerechte Risikokommunikation zugänglich machen (z.B. für Kinder und Jugendliche, Menschen mit Behinderungen oder psychischen Erkrankungen, alte Menschen, Geflüchtete)
  • Angebot stabilisierender Nachsorgemaßnahmen für Menschen mit psychischen Krankheiten gewährleisten, ausbauen und systematisch um Online-Angebote ergänzen (z.B. bei Patientinnen und Patienten mit Abhängigkeitserkrankungen)
  • Kommunikation auf aktive Bewältigung jedes Einzelnen und Bereitschaft zur Mitarbeit fokussieren; Möglichkeiten zur Anerkennung von erfolgreichem Bewältigungsverhalten schaffen
  • Fortlaufend Identifikation mit einer erfolgreichen kollektiven Bewältigungsstrategie bestärken und positive Modelle mit hinreichender Bandbreite von Einzelfallbeispielen anbieten; statistische Evidenz mit Vielzahl von Positivbeispielen illustrieren
  • Zielgruppengerechte Maßnahmen zur Ansprache und Modifikation dysfunktionaler Mindsets entwickeln und implementieren
  • Kontinuierliche Evaluation der Wirksamkeit der Maßnahmen, um bei Bedarf sehr kurzfristig reagieren zu können


4. Gesellschaftlicher Zusammenhalt

Herausforderungen
Gefühle wie Angst und Verunsicherung in Anbetracht der Pandemie-Entwicklung sind nachvollziehbar: Viele Menschen müssen psychische Ausnahmezustände bei sich selbst und anderen ertragen, manche sorgen sich um ihren Arbeitsplatz, ihre eigene Gesundheit oder die von Angehörigen. Isolation wird vielfach als wichtige Herausforderung dieser Zeit genannt, aber auch Ärger bis hin zu Wut und Unverständnis über die Hygiene- und Verhaltensmaßnahmen treten auf. Auch die Einhaltung und konsequente Umsetzung von neuen Regeln über einen langen Zeitraum erschweren das Alltagshandeln. Umso wichtiger ist es gerade jetzt soziale Beziehungen zu stärken. Während zu Beginn der COVID-19-Krise alle Menschen ihre Bedürfnisse nach Normalität, Kontrolle und bekannten Gewohnheiten einerseits, aber auch nach gesundheitlicher Unversehrtheit andererseits in eine vernunftgesteuerte Balance bringen mussten, werden nun neue Muster entwickelt. Diese Muster gilt es in eine konstruktive und für die Bevölkerung hilfreiche Richtung zu lenken, um parallel dazu auch die psychische Stabilität zu gewährleisten.
Mangelnder Zusammenhalt kann sich negativ auf psychisches Wohlbefinden auswirken. Sozialer Stress, Barrieren in der Gesundheitsversorgung, soziale Marginalisierung, Armut und Vernachlässigung können entstehen. Es besteht die Gefahr der Stigmatisierung von Personengruppen wie z.B. bei Menschen mit Migrationsbiografie, Geflüchteten oder Obdachlosen. Aus Angst vor Krankheitsübertragung wird zudem eine Stigmatisierung von Berufstätigen im Gesundheitssystem beobachtet. Bei stigmatisierten Menschen steigt das Misstrauen gegenüber dem Gesundheitswesen, in behördliches Handeln und die politischen Entscheidungstragenden. Daher sind gezielte Interventionen erforderlich, die auf der Basis psychologischer Erkenntnisse erfolgen.

Ziele

  1. Aktiv gesellschaftlichen Zusammenhalt und Gemeinsinn fördern durch die Betonung von gemeinsamem Erfolg; Wahrnehmung fördern, dass die Krise nur gemeinschaftlich bewältigt werden kann
  2. Gemeinsame Ziele aller Bevölkerungsteile bei der Bewältigung der Pandemie herausstellen
  3. Stigmatisierung von Personengruppen vermeiden; Vorurteile gegenüber Personengruppen abbauen

Maßnahmen
o Programme gegen Diskriminierung und Vorurteile gegenüber ethnischen Minderheiten, Menschen in prekären Lebenslagen, Menschen mit Behinderungen, Obdachlosen u.a. auf der Grundlage psychologischer Befunde entwickeln und umsetzen
o Zur Bewältigung der Krise psychologische und soziale Unterstützungsmaßnahmen für Kinder und Jugendliche in Schulen und für andere schutzbedürftige Menschen entsprechend deren Bedürfnissen anbieten
o Gezielte Programme zur Information über psychologische Auswirkungen der Pandemie für Schülerinnen und Schüler, aber auch für schulische Verantwortliche (z.B. Lehrkräfte) zur Verfügung stellen
o Positive Elemente wie Solidarität, Empathie und Gemeinsamkeiten betonen sowie Situationen schaffen, die positive Kontakte, Kooperationen und Informationsaustausch ermöglichen
o Konsequente zielgruppengerechte Aufklärung über Schutzmaßnahmen, um das Infektionsgeschehen bei Menschen z.B. in Gemeinschaftsunterkünften oder beengten Wohnsituationen zu minimieren
o Gemeinsame Erfolgserlebnisse in den Medien anhand von konkreten Beispielen darstellen
o Für eine ausgewogene Berichterstattung mit der Betonung von Aktivitäten und Erfolgen unterschiedlichster Bevölkerungsgruppen sorgen


5. Datengrundlage

Herausforderungen
Das dynamische Infektionsgeschehen erfordert eine zuverlässige und laufend aktualisierte Datengrundlage über die psychische Lage der Bevölkerung, die die Basis für zeitnahe und zielgruppengerechte Interventionen bildet. Themen eines solchen psychologischen Langzeitmonitorings umfassen v.a. die individuelle Risikowahrnehmung, resiliente Bewältigungsstrategien, Wissen über wirksame Maßnahmen und falsche Konzepte, präventives Verhalten, Impfbereitschaft, die Akzeptanz von und mögliche Belastung durch spezifische Pandemiemaßnahmen sowie Vertrauen in die Politik und in Institutionen. Erhebungsprojekte mit psychologischem Fokus, wie bspw. das COVID-19 Snapshot Monitoring (COSMO) Projekt, konnten sich sehr rasch international etablieren; langfristige Perspektiven sind hier notwendig.


Ziele

  1. Psychologie standardmäßig bei repräsentativen Umfragen aus den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften einsetzen
  2. Zukünftiges psychologisches Krisenmanagement, das auf Basis von konzeptionell fundiertem, repräsentativem Datenmaterial erfolgt
  3. Vulnerable Zielgruppen mit besonderem Informations-, Schutz- und Förderbedarf unterstützen, zur Herstellung von Vertrauen in Institutionen und zur Förderung des gesellschaftlichen Zusammenhalts


Maßnahmen

  • Bereits bestehende repräsentative Erhebungsinfrastrukturen für die Psychologie öffnen (v.a. valide Erfassung psychologischer Merkmale)
  • Kapazitäten bestehender Vorhaben zum psychologischen Monitoring der Bevölkerung ausbauen und langfristig sichern
  • In der Pandemie gesammelte Daten zeitnah zentral zur Nachnutzung verfügbar machen

Auf der Basis solcher Daten können mit vergleichsweise geringem Mitteleinsatz zukünftig Kommunikationsmaßnahmen entwickelt, vulnerable Zielgruppen identifiziert, und Interventionen gezielt ausgerichtet werden. Neueste Modellrechnungen mit unterschiedlichen Methoden konnten übereinstimmend einen außerordentlichen Erfolg der politisch veranlassten Verhaltensmaßnahmen zur Eindämmung der COVID-19-Pandemie zeigen.


Fazit

Aufgrund des bisherigen Pandemiemanagements wurden in Deutschland mehr als eine halbe Million zusätzlicher COVID-19-Todesfälle und viele Infektionen mit schwerem Verlauf verhindert. An diese Erfolgsgeschichte muss angeknüpft werden, indem sie der Bevölkerung nachvollziehbar kommuniziert wird. Die daraus resultierende Motivation ist Basis für weitere erfolgssichernde Maßnahmen. Psychologische Expertise leistet einen wichtigen Beitrag auch zur langfristigen Bewältigung der Pandemie und ihrer Folgen.
Selbstverständlich stehen wir Unterzeichnenden gerne für weiterführende Gespräche zu politischen Vorhaben und geplanten Maßnahmen bei der weiteren Bewältigung der COVID-19-Krise zur Verfügung.


Dr. Meltem Avci-Werning, Präsidentin BDP
Prof. Dr. Birgit Spinath, Präsidentin DGPs
Dr. Dietrich Munz, Präsident BPtK
Prof. Dr. Michael Bosnjak, Direktor ZPID

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Stellungnahme
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