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Stellungnahme des BDP zum Entwurf eines Gesetzes zur verbesserten Nutzung von Gesundheitsdaten (Gesundheitsdatennutzungsgesetz – GDNG)

Stellungnahme

Berlin, den 08.11.2023

Sehr geehrte Damen und Herren,
als Berufsverband freuen wir uns über die Gelegenheit zur Stellungnahme zum Gesundheitsdatennutzungsgesetz und möchten Ihnen hiermit unsere Position zum Gesetzesentwurf übermitteln. Für Fragen und Anregungen stehen wir Ihnen gern zur Verfügung.

A) Vorbemerkungen

  1.  Der BDP begrüßt die Zielsetzung des GDNG, weil sie erstmals überzeugend den Ansatz einer ausgewogenen Abwägung von Vor- und Nachteilen erwarten lässt, wo bislang diese Fragestellung eher den Einzelnen in der Überlegung überlassen ist, sich für oder gegen eine ePA zu entscheiden.
  2. In der Problem- und Zielbeschreibung am Anfang des Gesetzesentwurfs sind die meisten Zielsetzungen und Beschreibungen des Ist-Zustands aus Sicht des BDP plausibel. Jedoch erachtet der BDP es schon von Beginn an als nachteilig, von "Gesundheitsdaten" zu sprechen, ohne dass klar wird, ob und inwieweit solche mit oder solche ohne Personenbezug gemeint sind. Gerade wenn es im Gesetz um die sekundäre Datennutzung eigener hochsensibler Gesundheitsdaten geht, sollte auch für Versicherte transparent sein, wann wie und wo die naheliegendste Datenschutzmaßnahme, nämlich die Abkopplung des Personenbezugs von den benötigten Gesundheitsdaten erfolgt. Nach Auffassung des BDP bleibt es fast nur Expert*innen vorbehalten zu verstehen, wie die Datenschutzmaßnahmen im Gesetzentwurf funktionieren. Eine Differenzierung derart, von Gesundheitsdaten nur zu sprechen, wenn sie keinen Personenbezug haben und ansonsten von "personenbezogenen Gesundheitsdaten" zu sprechen, würde die Transparenz erheblich fördern. Eine solche Transparenz würde auch einem Argwohn entgegenwirken, dass Datenschutzmaßnahmen unterblieben oder verzögert werden und zwar aus dubiosen oder geheim gehaltenen Gründen.
  3. Der BDP begrüßt den Wegfall des Akteursbezugs bei der Antragstellung von Interessenten beim Forschungsdatenzentrum (Artikel 3 § 303e Abs.2 SGB V), weil dadurch der Zweckbezug vorherrschend wird. Der Zweckbezug verspricht mehr Fokussierung auf die wichtige Frage, warum Gesundheitsdaten beforscht werden sollen und ob dies (prinzipielle) Datenschutzrisiken rechtfertigt.
  4. Generell und insbesondere bei der Besetzung von Gremien, aktuell solcher, die im Referentenentwurf vorgeschlagen werden, begrüßt es der BDP, wenn im Kontext der Beforschung psychischer Aspekte psychologischer bzw. klinisch psychologischer und psychotherapeutischer Sachverstand bei der Datenaufsicht im FDZ mit vertreten wäre.

B) Kommentare und Vorschläge zu ausgewählten Paragrafen


Artikel 1 § 3 Abs. 4 Arbeitskreis zur Gesundheitsdatennutzung


In dem einzurichtenden Arbeitskreis zur Gesundheitsdatennutzung, welcher beratend tätig werden soll, sollten Expertinnen und Experten aus den Bereichen Psychologie und psychologischer Psychotherapie vertreten sein. Die Relevanz von Prävention, psychologischen Belastungsfaktoren und Versorgung psychischer Erkrankungen hat bereits hohe Bedeutung und nimmt in unserer Gesellschaft weiter zu. Die entsprechende fachliche Expertise sollte bei der Bewertung von Forschungsvorhaben adäquat vertreten sein. Dabei umfassen die Akteure der Gesundheitsforschung auch die Vertretung der Hochschulmedizin und die der Psychologie.


Artikel 1 § 6 Weiterverarbeitung durch Leistungserbringer*innen


Der BDP begrüßt nach seinen geäußerten Bedenken zum RefE die Klarstellung in der Gesetzesbegründung, dass die Zwecksetzung des § 6 Abs.1 nicht die Heranziehung weiterer Daten aus der ePA rechtfertigt (auch wenn ein Zugriffsrecht eingeräumt sein sollte).

Im Hinblick auf die zur Weiterverarbeitung berechtigten Kreise ist im neuen Gesetzesentwurf klargestellt, dass im Unterschied zur Interpretation des BDP nicht nur die aktenführenden Berufsgeheimnisträger, sondern auch allgemein Einrichtungen und Teams gemeint sind und dass eine Zustimmung nicht erforderlich sei. Der allgemeine ethische Ansatz, Personen nur freiwillig in der Forschung einzubeziehen, gerät hier in Konflikt mit Regelung der Einwilligungsfreiheit, selbst wenn das nicht als Verstoß gegen die DSGVO zu werten ist.
Laut Gesetzesbegründung ist die Zweckverfolgung nach Absatz 1 als nur im öffentlichen Interesse liegend zu verstehen, was als Beschränkung zu werten ist. Das öffentliche Interesse ist laut Gesetzesbegründung das Ziel eines lernenden Systems. Insbesondere die Forschungsziele müssen sich an dieser Einschränkung messen lassen. Die Publikationspflicht aus § 6 Abs.4 und § 8 mag faktisch als Hürde fungieren.
Dennoch ist insbesondere bei bestimmten Forschungszwecken nicht überzeugend, dass dies ohne die Möglichkeit als Betroffener zuzustimmen, abzulehnen oder eine Zustimmung widerrufen zu können, möglich sein soll.


Artikel 1 § 8 Publikationspflicht


Der BDP begrüßt weiterhin den Äquivalenzgedanken, dass die freie Nutzung von Behandlungsdaten zu Forschungszwecken durch Publikationspflicht einem öffentlichen Vorteil zugeführt werden. Alle Forschungsvorhaben nach diesem Gesetz sollten nach unserer Auffassung der Publikationspflicht unterliegen.
Es sollte ausgelotet werden, wie alle Forschungsergebnisse, einschließlich solcher, die ein unerwünschtes oder kein Ergebnis erbracht haben, einer Publikationspflicht unterworfen werden können. Ferner wäre es wünschenswert, wenn diese Publikationen zentriert auf einer Plattform erfolgen, die mit dem Cockpit der ePA vernetzt ist.
Es wäre allerdings auch angemessen, dass neben den in der Gesetzesbegründung genannten weiteren Forschenden und verschiedenen staatlichen Ebenen auch diejenigen Betroffenen, deren Daten zu Forschungszwecken verwendet worden sind und soweit sich das noch intern rückverfolgen lässt, über die Publikation informiert werden bzw. eine Information zum Erscheinen der Publikationen erhalten können.


Art 2 § 303a Abs.3a Nr.2 Forschungsablehnung wegen eines anderen Zwecks


Wir möchten unseren Vorschlag aus der Stellungnahme zum Referentenentwurf wiederholen und schlagen vor, in Artikel 2 § 303e Abs.3a Nr.2 bei der Möglichkeit, Forschungsvorhaben wegen Verdachts anderer Zwecke abzulehnen, den Wortlaut zu präzisieren:


(a) Art.3 § 303e Abs.3a Satz 1 wird ergänzt:

(3a) Das Forschungsdatenzentrum lehnt einen Antrag nach Absatz 3 ab, wenn

…….

2. der begründete Verdacht besteht, die Daten könnten nur oder auch für einen anderen Zweck, als die in Absatz 2 genannten Zwecke, insbesondere für einen nach Satz 2 verbotenen Zweck, verarbeitet werden,


Artikel 3 § 25b datengestützte Erkennung durch Kranken- und Pflegekassen


Der BDP sieht die direkte Kontaktaufnahme der Kranken- oder Pflegekassen mit den Versicherten zu den genannten Zwecken weiterhin kritisch. Damit jedoch potentielle Chancen, die in einer Datenerkennung liegen prinzipiell genutzt werden können, könnte eine Risikokommunikation der Krankenkas-sen mit den Behandelnden ermöglicht werden. Es ließe sich im ePA-Cockpit neben der Widerspruchsmöglichkeit einrichten, dass erstens eine bestimmte Person aus dem Leistungserbringerkreis benannt werden kann, zweitens (namenlos) die/der jeweilige Hausärztin/Hausarzt angeklickt werden kann und nur ansonsten der Verdacht akuter oder schwerwiegender Gesundheits-gefährdungen direkt durch die Kranken- oder Pflegekasse erfolgt.


Artikel 3 § 363 SGB V ePA für Forschung zugänglich nur mit opt-out


Der BDP bedauert, dass es für die Betroffenen schwer werden wird zu erkennen, ob, wann, wer, wie „ihre“ Gesundheitsdaten beforscht. Dabei wäre es vergleichsweise einfach zu verdeutlichen, ab welchem Verarbeitungspunkt Gesundheitsdaten zwar aus der eigenen Patientenakte stammen, aber nicht mehr mit Personenbezug verarbeitet werden. Eine Intransparenz über den Umstand, dass ePA-Daten weitgehend anonymisiert oder pseudonymisiert beforscht werden, schadet der Akzeptanz erheblich. Deshalb sollte dieser Vorgang der Anonymisierung oder Pseudonymisierung, die Bedingungen dafür und der Zeitpunkt für die betroffenen Patientinnen und Patienten gut nachvollziehbar sein.
Vor diesem Hintergrund wiederholt der BDP die Forderung nach frühestmöglicher Anonymisierung, insbesondere durch Aggregation forschungsrelevanter Gesundheitsdaten oder zumindest, dass die Erfüllung dieser Zielsetzung für alle Betroffenen transparent ist. Abgesehen davon befürwortet der BDP grundsätzlich die Opt-in-Lösung (zumindest für Daten zu psychischen Erkrankungen) als den überzeugenderen Ansatz und dies insbesondere auch zu der Frage, ob und welche Daten einer Forschung durch Dritte zugeführt werden dürfen.


Susanne Berwanger
Vizepräsidentin

Veröffentlicht am:
Kategorien:
Stellungnahme
Digitale Gesellschaft und Psychologie
Datenschutz
Schlagworte:
Digitalisierung
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