Medizinlastig, aber dennoch ein wichtiger Schritt nach vorn

Am gestrigen Mittwoch beriet der Gesundheitsausschuss des Bundestages über das Präventionsgesetz. Drei Stunden lang wurden Einzelsachverständige sowie Vertreter von Verbänden und Kammern durch die Abgeordneten zum Gesetzentwurf befragt.
Gleich die erste Frage ging an Prof. Rolf Rosenbrock, Sachverständiger im Rat für das Gesundheitswesen, mit dem Report Psychologie in der aktuellen Ausgabe ein ausführliches Interview geführt hat. Rosenbrock bezeichnete ein solches Bundesgesetz als "angemessenes Mittel zur Entlastung der sozialen Sicherungssysteme und zur Förderung der Gesundheit". Ein wesentlicher Fortschritt bestehe auch darin, dass künftig Prävention auf der Basis von Qualitätssicherung (QS) stattfinde. Als problematisch werde sich allerdings der sehr hohe Abstimmungsbedarf zwischen den einzelnen Trägern von Prävention darstellen. Das Gesetz mache nur Sinn, wenn sich die Versicherungsträger gut koordinierten. Deutlich kritisierte Rosenbrock, dass die Bundesagentur für Arbeit (BA) nicht in die Finanzierungspflicht und Verantwortung genommen werde. Langzeitarbeitslose seien doppelt so häufig krank wie Erwerbstätige und hätten ein doppelt so hohes Mortalitätsrisiko; es gebe daher keinen Grund, die BA nicht einzubeziehen. Auch die privaten Krankenversicherer ging Rosenbrock wegen ihrer Nichtbeteiligung an der Stiftung heftig an.

Im Anschluss unterstütze Dr. Ursula Engelen-Käfer für den DGB das Gesetz vom Grundsatz her, forderte aber, die betriebliche Gesundheitsförderung noch stärker zu fördern.
Prof. Ingo Froböse von der Deutschen Sporthochschule in Köln bemängelte, dass bislang konkrete Ziele und Qualitätskriterien fehlten. Ein erster Ansatz könnten die Qualitätskriterien von Präventionsprogrammen sein, die sich die Spitzenverbände für Präventionsangebote im Rahmen des § 20 SGB V gegeben hätten.
Bundespsychotherapeutenkammer und Ärztekammervertreter forderten ihre Einbeziehung in die Gremien der Stiftung Prävention.

Insgesamt begrüßten alle Experten die hinter dem Gesetz stehende Absicht einer Stärkung von Prävention und Gesundheitsförderung. Je nach politischer Couleur und nach Verbändehintergrund gingen die Meinungen darüber, ob der Gesetzentwurf dieses Ziel erreichen kann oder nicht, jedoch weit auseinander. Einig war man sich immerhin dahin, dass die Förderung des Setting-Ansatzes (im Gesetz "Lebenswelten" genannt) wichtig und notwendig sei.
Grundsätzliche Kritik übten Vertreter von Krankenkassen an der geplanten Finanzierungskonstruktion; sie forderten, dass die Finanzhoheit bei denen liegen müsse, die das Geld einbrächten.
Ebenso grundsätzlich übten die FDP-Abgeordneten und der Staatssekretär a.D. Karl Jung Kritik. Sie verlangten einen völligen Verzicht auf das geplante Gesetz.

Frühzeitig hatte der BDP eine Stellungnahme zum sogenannten "Eckpunktepapier" vorgelegt, das im September vergangenen Jahres veröffentlicht und Grundlage für den Gesetzentwurf wurde. Der BDP hatte darin u.a. gefordert, dass die Verminderung von Ungleichheit bei den Gesundheitschancen und die Erprobung und Verbreitung effektiver Ansätze in das Gesetz aufgenommen werden müssten. Auch müssten Angebote an sozial Benachteiligte stärker gefördert werden. Beides findet sich im Gesetzentwurf jetzt wieder. Darüber hinaus wurde neben dem "ärztlichen Sachverstand" nun wenigstens auch "anderer fachspezifischer Sachverstand" benannt, wenn auch gesundheitspsychologisches Know-how nicht explizit erwähnt wird.
Nicht verhindern konnten BDP und Bundespsychotherapeutenkammer sowie die Verbände German Network for Mental Health, GGFP, DGVT und DGSP die nach wie vor bestehende Medizinlastigkeit des Gesetzentwurfs. Während die WHO-Charta von körperlicher, seelischer und sozialer Gesundheit spreche, ist im deutschen Gesetz stets nur von Gesundheit bzw. der Verhinderung von Erkrankungen die Rede; als Maßnahmen werden meist medizinisch-therapeutische aufgeführt. Hier ist zu hoffen, das die vom BDP schriftlich zur Anhörung eingereichte Stellungnahme noch etwas bewegen kann.
Dennoch ist festzustellen, dass mit dem Gesetz, sollte es verabschiedet werden, ein Meilenstein in der Prävention und Gesundheitsförderung gesetzt wird. Es wird Prävention und Gesundheitsförderung stärken helfen und für Psychologinnen und Psychologen zusätzliche Arbeitsfelder bieten. Darauf hat das Vorstandsmitglied der Sektion Gesundheits- und Umweltpsychologie, Julia Scharnhorst, in einem Beitrag für die aktuelle Ausgabe von Report Psychologie hingewiesen.

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