Berufspolitisches Programm über Psychologie in Schulen

1. Grundannahmen

Die Psychologie geht in ihrer Arbeit für die Schule und die Gesellschaft von folgenden anthropologischen Grundannahmen aus: Jeder Mensch will und kann als Person mit seiner Menschenwürde und seinen Menschenrechten sein Leben selbstbewusst und selbstbestimmt gestalten; Menschen wollen in Gemeinschaften und Gruppen fruchtbar und erfolgreich miteinander zusammenarbeiten, und sie können es, wenn sie wechselseitig ihre Grundrechte auf selbstbewusste und selbstbestimmte Lebensgestaltung berücksichtigen, auch im Sinne der Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen. In der Schule leben und arbeiten Menschen vor allem als Schüler und Lehrer zusammen.
In diesem Sinne ist Schule unvereinbar mit ständestaatlichem Denken und dem Missbrauch durch bildungspolitische und parteipolitische Egoismen.

Alle gesellschaftlichen Bildungsmaßnahmen im Bereich der Schule und alle psychologischen Unterstützungen dieser Bildungsmaßnahmen dienen dem Ziel, junge Menschen als Schüler und Schülerinnen zu befähigen, dass sie durch persönliche Aneignung von Bildung ihr Leben und soziales Zusammenleben in Gemeinschaften selbstbewusst, selbstbestimmt und sozial produktiv gestalten können.

Die Psychologie bietet sehr viele erprobte und bewährte Theorien, Ansätze, Methoden, Interventionen, Strategien und Instrumentarien, um Menschen als Individuen und Gemeinschaftswesen hilfreich zu begleiten, zu fördern, zu stabilisieren sowie ungünstige Entwicklungen bei Individuen und in Gemeinschaften zu erkennen und abzuwenden.

Für das vielfältige Aufgaben- und Tätigkeitsfeld der Schule sind neben fachlichen, didaktischen und pädagogischen in hohem Maße auch psychologische Kompetenzen notwendig. Zu deren Ausbildung tragen die Entwicklungspsychologie, die Motivationspsychologie, die Lernpsychologie, die Sozialpsychologie, die Arbeits-, Betriebs- und Organisationspsychologie sowie die Gesundheitspsychologie und Klinische Psychologie bei. Das Wissen all dieser Teildisziplinen macht sich die Pädagogische Psychologie zunutze und integriert sie. Ihr wichtigstes Arbeitsgebiet ist es, die vielfältigen Bedingungen für gelungene und erschwerte Formen der Erziehung und Aneignung von Bildung zu untersuchen. In der Schulpsychologie findet sie ihre praktische Anwendung.

Eine Schule kann angezielte Bildungsmaßnahmen für junge Menschen gut und erfolgreich durchführen, wenn sie folgende Bedingungen schafft:

  • Klare pädagogische Leitideen für die Förderung eines selbstbewussten, selbstbestimmten, gesunden und sozial positiven Lebensstils sowie für die Aneignung von Bildung – auf dem Hintergrund entwicklungs-, lern-, gesundheits- und sozialpsychologischen Wissens;
  • Vermittlung von Bildungsinhalten an Schülerinnen und Schüler über wesentliche Bedingungen eines selbstbewussten, selbstbestimmten, gesunden und sozial positiven Lebensstils – durch Nutzung lern-, persönlichkeits- und sozialpsychologischer Bildungsinhalte und psychologischer Lernmethoden,
  • Vermittlung und Förderung pädagogischer Kompetenzen durch Aus- und Fortbildung von LehrerInnen zur Durchführung klarer pädagogischer Leitideen im sozialen Schulalltag – durch die Förderung psychologischen Wissens, Verstehens und entsprechender Handlungsfähigkeiten;
  • Angemessene Einschätzungen der für Bildungsprozesse relevanten Lern- und Leistungsfähigkeiten der Schüler und Schülerinnen, verbunden mit psychologisch fundierter diagnostischer Beobachtung, als Ausgangspunkte zur Förderung erfolgreicher Bildungsprozesse, verbunden mit psychologisch fundierten Fördermaßnahmen;
  • Kontinuierlicher Verbesserungsprozess des Unterrichts durch die Lehrkräfte – unter Berücksichtigung lernpsychologischer Erkenntnisse;
  • Organisationsentwicklung zu einer Gesundheit fördernden Schule durch kompetente Führung und Kooperations-Management – mit Hilfe von Methoden der Arbeits-, Betriebs- und Organisationspsychologie;
  • Ein die Zusammenarbeit von Menschen förderndes Schulklima, das persönliche Wertschätzungen, positive Integration und Sicherheitsgefühle vermittelt – u. a. mit Hilfe von psychologisch entwickelten und erprobten Programmen.

Die Psychologie verfügt über ein breites, fundiertes Spektrum an Wissen, Methoden, Erfahrungen zur Förderung solcher Bedingungen.

2. Grundfertigkeiten der Schüler und Schülerinnen

Schülerinnen und Schüler können Lernerfolge nur dann erreichen, wenn die Schule fächerübergreifende Grundfertigkeiten vermittelt, fördert und zu erhält.
Von besonderer Bedeutung sind hier

  • die Entwicklung eines positiven Selbstkonzeptes durch positive Erfahrungen, als Person angenommen und verstanden zu werden sowie in Klassengemeinschafen integriert zu sein;
  • Fähigkeiten zur sozialen Integration in Gemeinschaften und in den Schulalltag mit entsprechenden sozialen Kompetenzen;
  • die Fähigkeit zur Selbststeuerung und -kontrolle bei der Vorbereitung, der Durchführung und der Bewertung des eigenen lernenden Handelns;
  • die Förderung eines leistungsbezogenen positiven Selbstkonzeptes in Verbindung mit lernförderlichen Erklärungskonzepten der eigenen Wirksamkeit bei Erfolgen und Misserfolgen;
  • eine erfolgsorientierte Leistungsmotivation, die zu realistischer Zielsetzung beiträgt und eine wesentliche Grundlage für die Anstrengungsbereitschaft ist;
  • die Fähigkeit zur jeweils angemessenen Einzelarbeit und zur Kooperation mit anderen.
  • Die Fähigkeit zur alltagspraktischen und kreativen Problemlösung.

1. Schule als wichtiger Teil der Gesellschaft trägt dazu bei, dass die Schüler und Schülerinnen körperlich und psychisch gesund sind, sich physisch und psychisch sicher fühlen, emotional wertgeschätzt sind, ihre Kontrolle über das eigene Handeln erleben, sowie ihre Bedürfnisse nach Wissen und nach Erkennen realisieren können.
Lernstörungen und Lerndefizite sind durch Prävention und Kompensation zu vermeiden und gegebenenfalls durch Intervention zu beheben.

1.1 Die Schule muss dazu die Kompetenzen der Psychologie und anderer Disziplinen stärker nutzen, damit das verfügbare Bedingungs-, Änderungs-, Kapazitäts- und Kompetenzwissen wirksam wird.

1.2 Lehrkräfte und Eltern müssen durch psychologische Fortbildung und Trainings mehr als bisher darin geschult werden, psychologisch angemessene Bedingungen zur Entwicklung der Grundfertigkeiten herzustellen und diese zu fördern.

Die Schulpsychologie bietet für Schülerinnen und Schüler (und deren Lehrenden) Programme und Trainings zur individuellen Entwicklung dieser Kompetenzen an.

2. Über diese eher lern- und kognitionspsychologischen Bedingungen hinaus ist es wichtig, die emotionalen und psychosozialen Kompetenzen der Schüler und der Schülerinnen zu entwickeln. Hierzu gehören Orientierung, Beratung und Begleitung, sowie die Entwicklung förderlicher Bedingungen zur konstruktiven Verarbeitung von Krisen, die in pädagogischen und erzieherischen Prozessen unvermeidbar und auch notwendig sind.

2.1 Verantwortungsvolle Schulen entwickeln dazu gemeinsam mit Schulpsychologinnen und Schulpsychologen Konfliktregelungsverfahren sowohl auf der Grundlage psychologischer Mediation, als auch auf der von Konzepten zu Krisenprävention und Krisenintervention. Psychologisch fundierte Programme zum Erlernen pro-sozialen Verhaltens unterfüttern und ergänzen diese Ansätze vorbeugend.

3. Lernvoraussetzungen und Lernen

1. Psychologisch vorrangig ist, dass die Schule die psychomotorische, kognitive und emotionale Kapazität der Schüler und Schülerinnen sowie das jeweils vorhandene Wissen und Können respektiert und fördert.
Die Einschulung bestimmt sich flexibel nach dem individuellen psychischen und physiologischen Stand der Schulfähigkeit. Die Psychologie stellt differenzierte diagnostische Instrumente zur Verfügung, die es ermöglichen, das einzelne Kind ohne vermeidbare Misserfolgserlebnisse in die Schule zu integrieren.

1.1 Die Schule kooperiert dazu mit den Eltern und den vor-, außer- und nachschulischen Einrichtungen. Die psychologische Unterstützung der Frühpädagogik ist hier von besonderer Bedeutung

2. Der grundlegend bedeutsame Zusammenhang von Sprache und Denken erfordert die besondere Beachtung der Entwicklung des sinnentnehmenden Hörens, Sehens und Lesens sowie der mündlichen wie auch schriftsprachlichen Kommunikations- und Interaktionskompetenz. Diese sind die Voraussetzungen für den Wissenserwerb und die aktive Problembearbeitung beim eigenverantwortlichen, entdeckenden und bedeutungsvollen Lernen in lebensnahen Kontexten in allen Fächern und Jahrgangsstufen.

2.1 Lehrkräfte sind dazu durch Psychologen lern- und denkpsychologisch in Studium und Fortbildung besonders zu qualifizieren:

3. TIMSS und PISA haben Defizite bei deutschen Schülern und Schülerinnen im selbständigen Aufgaben- und Problemlösen festgestellt: So beherrschen sie z.B. Routinen beim Rechnen, können das Gelernte aber nicht anwenden, weil sie nicht erkennen, wann und wo es im Alltag gebraucht wird und wie man damit umgeht.

3.1 Psychologen müssen zusammen mit Lehrenden Unterrichtskonzepte entwickeln, die sicherstellen, dass das Gelernte verfügbar ist und im Alltag angewendet und genutzt wird.

4. Schüler und Schülerinnen mit besonderen Schwierigkeiten bei dem Erlernen des Lesens, des Schreibens, des Rechnens, bei der selbstkontrollierten Aufmerksamkeit, bei dem angstfreien Besuch der Schule, sowie bei der Auseinandersetzung mit Leistungsanforderungen haben Anspruch auf schulpsychologische Unterstützung in der Form individueller pädagogischer Entwicklungsprogramme im Rahmen der Schule.
Dieser Anspruch gilt auch für Schüler und Schülerinnen mit besonders hoher oder besonders niedriger Begabung. Diese Unterstützung ist eingebettet in einen Beratungsprozess mit allen Beteiligten.

4.1 Die Schulpsychologie erkennt in besonderer Weise die individuellen Stärken und Schwächen der Schüler und führt in einem dafür geschaffenen Rahmen spezielle Förderungen durch und / oder vermittelt diese an kompetente psychologische Dienstleister.

4. Schulleitung

Die Schulleitung nimmt die zentrale Stelle im Wirkungsgefüge der selbstständigen Schule als einem lernenden System ein.

1. Schulleitung benötigt qualifizierte pädagogische, schulbetriebspsycho-logische und schulbetriebswirtschaftliche Kompetenzen für die Organisations-, die Unterrichts- und die Personalentwicklung.

1.1 Diese Kompetenzen sind durch Aus-, Fort- und Weiterbildung unter Beteiligung von Psychologen zu vermitteln und durch psychologisches Coaching und durch psychologische Supervision zu unterstützen.

2. Die Leitung einer Schule erfordert besonders zu betonende hohe Kompetenzen der partnerorientierten und problembearbeitenden Gesprächsführung sowie der Konfliktregelung und der teamorientierten Führung und Mitarbeiterentwicklung.

2.1 Schulpsychologen und Schulpsychologinnen trainieren diese Fähigkeiten in regelmäßigen Abständen mit der Schulleitung in ihrer Funktion als teamorientierte Führungskraft.

2.2 Um die Leitungsaufgaben einer Schule erfüllen zu können, muss zur Verwirklichung dieser Kompetenzen als weitere wichtige psychische Ressource eine angemessene Leitungszeit vorhanden sein.

2.3 Führungsfähigkeiten bzw. die Eignung einer Lehrkraft als Leitungskraft sind darüber hinaus neben der fachlichen Qualifikation bereits bei der Auswahl der Schulleitung speziell zu berücksichtigen.

5. Lehrkräfte

1. Vor dem Hintergrund nationaler Bildungsstandards ist die fachwissen-schaftliche Fähigkeit der Lehrkräfte einer der wesentlichen Faktoren für den Lernerfolg der Schüler und Schülerinnen sowie ein wichtiges Element der psychischen Stressprävention und Gesunderhaltung der Lehrkräfte selber.

Weitere wichtige Komponenten mit gleicher Zielrichtung sind die folgenden Persönlichkeitsmerkmale und Fähigkeiten der Lehrkräfte.

  • Die Freude am forschenden Lehren ist eine Voraussetzung für einen erfolgreichen Unterricht des entdeckenden Lernens.
  • Das empathische Einfühlen in die Schüler und Schülerinnen als psychische Kompetenz ist notwendig, um die Schüler und Schülerinnen binnendifferenzierend emotional und kognitiv dort abholen zu können, wo sie jeweils stehen.
    Pädagogische Tätigkeit erfordert auch die psychologische Fähigkeit zur Metakommunikation, zur Störungsbearbeitung und Konfliktregelung, als Voraussetzungen für erfolgreiche Erziehung.

1.1 Um diese Einstellungen und Fertigkeiten zu entwickeln und zu pflegen, benötigen die Lehrkräfte fundierte und anwendungsrelevante Kenntnisse der Entwicklungspsychologie, der kognitiven Psychologie, der Lern- und der Sozialpsychologie, die in praktischen Lehrtrainings vertieft werden.

1.2 In der universitären Ausbildung der Lehrkräfte sind daher verstärkt und in größerem Umfang Psychologen und Psychologinnen einzubeziehen, die die Instruktions- und Kognitionspsychologie vertreten. Dieses gilt im gleichen Umfang für die praxisorientierten Phasen der Ausbildung, in der die angewandte Pädagogische Psychologie durch schulsystemkompetente Psychologen und Psychologinnen zu vertreten ist.

1.3 Hierzu und zur Entwicklung psychologisch begründeter Kompetenzen der Lerngruppenführung und der personorientierten pädagogischen Arbeit ist auch die Mitwirkung praktizierender (Schul-)Psychologen und -Psychologinnen schon in der ersten und der zweiten Phase der Ausbildung der Lehrkräfte notwendig.

1.4 Schließlich ist eine kontinuierliche Fortbildung der Lehrenden durch Personen mit psychologischer Fach- und Feldkompetenz unerlässlich, um den hohen kognitiven und psychischen Anforderungen ihres Berufs gerecht zu werden.

1.5 In allen Phasen der Ausbildung und der Berufsausübung der Lehrkräfte und der Schulleitungen sind also psychologisch qualifizierte Maßnahmen zur Personalentwicklung (Qualifizierungen, Qualitätszirkel, Trainings, psychologische Supervision und Coaching) erforderlich, damit das hohe Anforderungsniveau an die Qualifikation der Lehrkräfte entwickelt und erhalten werden kann.

Im Zentrum der Lehrkompetenz steht dabei die Förderung des eigenverantwortlichen und entdeckenden Lernens der Schüler und der Schülerinnen.

2. Das ganzheitliche Problemspektrum im Umgang mit Menschen, das pädagogische Handeln in Unbestimmtheit und Komplexität sowie das unstetige Kompetenzkontinuum im pädagogischen Feld erfordert von den Schulleitungen und den Lehrkräften eine entwickelte und sehr verantwortliche personale Kompetenz sowie die Fähigkeit zur ständigen, professionellen Zusammenarbeit mit anderen schulrelevanten Berufen wie z.B. der Psychologie.
Ohne professionelle Unterstützung ihrer verantwortungsvollen Tätigkeit bewältigen zu viele Lehrkräfte die Belastungen des Stressberufs Pädagoge nicht ausreichend.

2.1 Psychologische Hilfe durch Prävention und Intervention trägt dazu bei, die psychische und physische Gesundheit und Berufsfähigkeit der Lehrkräfte zu erhalten. Die Schulpsychologie vermittelt speziell für die nachhaltige und dauerhafte Bewältigung und Kompensation dieser Beanspruchungen hilfreiche und wirksame Kompetenzen selbst bzw. sorgt für die Bereitstellung dieser Unterstützung durch externe psychologische Dienstleister.

Diese umfangreichen Komponenten sind die psychologischen Grundlagen für das professionelle positive Selbstwertgefühl der Lehrkräfte, ihrer Berufszufriedenheit sowie ihrer Wertschätzung durch die Gesellschaft.

6. Erziehungsberechtigte und Schule

1. Die Zusammenarbeit von Elternhaus bzw. Erziehungsberechtigten und Schule ist ein gegenseitiges gleichberechtigtes Geben und Nehmen. Beide Seiten sind sich der Verpflichtung bewusst, in ihrem jeweiligen Verantwortungsbereich ein Optimum an Qualität der Erziehung und der Bildungsarbeit zu leisten.

1.1 Dazu stellen Erziehungsberechtigte und Schule bzw. Schulpsychologie eine beiderseitige enge Kommunikation und kurze Wege zueinander her und begleiten gemeinsam die Lernentwicklung der Schülerinnen und Schüler.

1.2 Für den Fall von Störungen vereinbaren beide Seiten in Schul-Elternhaus-Verträgen Verfahren der Störungsbearbeitung bzw. der Konfliktregelung, an deren Erarbeitung, Umsetzung und Evaluation die Schulpsychologie unterstützend mitwirkt.

7. Schulstrukturen

1. Das separierende und selektierende gegliederte Schulwesen, sowie der damit verbundenen institutionellen Diskriminierung durch die sogenannte Abschiebung nach unten führt in vielen Fällen zu schulstrukturbedingten Demütigungen von Schülern und Schülerinnen. Die integrierte Schulstruktur schafft vergleichsweise günstige Bedingungen, damit sich Schüler und Schülerinnen der Schule zugehörig und wertgeschätzt fühlen können, was wiederum wichtige Voraussetzungen für die Realisierung der kognitiven Bedürfnisse der Lernenden auch im Sinne von Schulerfolg sind.

1.1 Daher ist der Primar- und der Sekundarbereich integriert zu organisieren. Dadurch entfallen vermeidbare Schnittstellenprobleme und Lernzeitverluste durch Schulstufen- und Schultypenübergänge aufgrund der jeweiligen psycho-ökonomisch aufwändigen und störanfälligen Gruppenbildungsprozesse.

2. Die Schulform der Ganztagsschule berücksichtigt die veränderte Lebens- und Berufssituation von Vätern und Müttern; flächendeckend umgesetzt, verbessert sie die Chancengerechtigkeit hinsichtlich der unterschiedlichen häuslichen Erziehungs- und Bildungsvoraussetzungen der Schüler und Schülerinnen. Ganztagsschule schafft darüber hinaus günstige Rahmenbedingungen zum flexibleren Zeitmanagement der schulischen Lehr- und Lernprozesse.

2.1 Daher ist die Schulform der Ganztagsschule auch in ihren offenen Formen aufgrund der Möglichkeit des flexibleren Managements der Lehr- und Lernprozesse und der Verbesserung der Chancengleichheit aus schulpsychologischer Sicht zu fordern und zu fördern.

2.2 Zur speziellen Förderung und Forderung von Schülerinnen und Schülern mit besonderen und besonders hohen Begabungen sind ergänzend innerhalb der bestehenden Strukturen besondere Unterrichtsmöglichkeiten zu schaffen und zu nutzen.
Dazu gehören insbesondere auch fähigkeitsähnliche Lerngruppen.

Die Kompetenz von Psychologinnen und Psychologen ist hier in der Diagnostik und auch in der Entwicklung und Anwendung von lern- und motivationspsychologisch angemessenen Unterrichtsformen und -methoden in besonderer Weise hervorzuheben.

3. Zum festen Bestandteil der schulischen Arbeit sollten Lehrveranstaltungen zum gezielten Erwerb fächerübergreifender Arbeitstechniken gehören, die die Schülerinnen und Schüler zum selbstgesteuerten Zeitmanagement der Lernzeit bei der Planung, Umsetzung und Bewertung von Arbeitsvorhaben befähigen. Dadurch werden förderliche Bedingungen für erfolgreiches entdeckendes eigenverantwort-liches Lernen und Arbeiten geschaffen.

3.1 Bei der Entwicklung solcher Lehrveranstaltung, sowie bei der Integration von selbständigem Lernen in den Unterricht ist auf die diesbezüglichen Kenntnisse und Erfahrungen der (Schul-)Psychologen und -Psychologinnen zurückzugreifen.

8. Schule als lernendes System

1. Das Schulwesen ist auf allen Ebenen vom Ministerium bis zur einzelnen Schule zu systematischem und umfassendem Qualitätsmanagement, zur Organisations- und zur Personalentwicklung verpflichtet.

1.1 Dazu bedient sich das Schulwesen auch der schulbetriebspsychologischen Kompetenz der Schulpsychologie, die dazu mit der Schulaufsicht , den Schulleitungen und den Lehrkräften kooperiert.

1.2 Das Schulwesen fördert diese Entwicklungsprozesse durch psychosoziale Unterstützungsmaßnahmen wie z.B. Qualitätszirkel, durch psychologische Supervisionsangebote und durch Coaching; hier wird insbesondere schulpsychologische Kompetenz bedeutsam.

2. Die Qualitätsentwicklung der selbstständigen Schule und ihrer administrativen Infra- und Unterstützungsstruktur erfordert eine Schulprogrammentwicklung mit Zielvereinbarungen, deren Verwirklichung intern und extern zu evaluieren ist.

2.1 Dazu werden in den Ländern wie im Bund Schulinspektionen und Schulentwicklungs- sowie Monitoring-Agenturen etabliert, in denen pädagogische und psychologische Fachleute kooperieren.

9. Schulpsychologie

Nur wenn der Einzelne frühzeitig, andauernd und fachlich kompetent gefordert und gefördert wird, wenn mögliche individuelle und soziale Störungen rechtzeitig erkannt und behoben werden, wird es gelingen, eine Schule zu gestalten, die sowohl den Fähigkeiten des einzelnen Schülers, der Schülerin und der Lehrkraft gerecht wird, als auch diese zum Nutzen der Gesellschaft mehrt.

Psychologie und Schulpsychologie im Besonderen übernehmen hier ihre gesellschaftliche Verantwortung und unterstützen das Schulwesen konzeptionell und operativ auf allen Ebenen der Schulverwaltung und der Schule.

Die Hauptaufgaben richten sich dabei auf

  • die Person des Schülers und der Schülerin durch psychologisch-systemische Beratung, gegebenenfalls auch durch psychologische Psychotherapie und durch Fallmanagement der Kooperation schulinterner und schulexterner Fachkompetenz,
  • die einzelne Schule und in ihr die Zusammenarbeit mit den Lehrkräften, den Schulleitungen und den Erziehungsberechtigten und
  • das System Schule durch psychologische Organisations-, Unterrichts- und Personalentwicklungsberatung und -maßnahmen sowie durch Fortbildung, Lehre und Forschung.

Die in der Schulpsychologie mitarbeitenden Beratungslehrkräfte werden durch die Schulpsychologie qualifiziert und fachlich betreut.

Die Schulpsychologie als maßgebliche Instanz sorgt selbst für die Durchführung der Maßnahmen, bzw. koordiniert die notwendigen Maßnahmen externer psychologischer Dienstleistungsanbieter. Sie nimmt damit auch eine entscheidende Schnittstellenfunktion wahr.

Der quantitative Personalbestand der Schulpsychologie im deutschen Schulwesen muss sich an den Standards der OECD-Staaten orientieren, die aktuell im Mittel eine Relation von etwa einem Schulpsychologen bzw. einer Schulpsychologin auf 2500 Schüler und Schülerinnen aufweisen. Im Moment ist die schulpsychologische Versorgung in Deutschland hiervon jedoch weit entfernt.
Wenn (spätestens nach TIMSS und PISA) angestrebt wird, Schule für alle in und an ihr Beteiligten erfolgreicher und befriedigender zu gestalten, kann und darf nicht auf die einzigartige Kombination von psychologischer Fachkompetenz und fundierter Kenntnis des Arbeits- und Problemfeldes verzichtet werden, die die Schulpsychologen und Schulpsychologinnen zu bieten haben.

Fazit

Damit Schule ihrem gewachsenen Auftrag und den Anforderungen unserer Zeit wirkungsvoll gerecht werden kann, müssen diese Forderungen erfüllt werden und in weitaus höherem Maße als bisher psychologische Kompetenz gemäß dem Stand der Wissenschaft auf allen dargestellten Ebenen genutzt werden. Nur durch diese Maßnahmen kann der Erfolg des Systems Schule und der in ihm lebenden und lernenden Menschen nachhaltig gewährleistet werden.

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